Der lange Weg zur Freiheit
Mau Mau in Kenia. Ngubases dramatische Aussage rief Aufsehen hervor, im Gericht selbst wie auch außerhalb. Hier schienen nun endlich Beweise für eine Verschwörung vorzuliegen.
Doch als Ngubase von Vernon Berrange ins Kreuzverhör genommen wurde, zeigte sich, daß er zugleich ein Verrückter und Lügner war. Berrange, dessen Geschick beim Kreuzverhör ihm unter den Angeklagten den Spitznamen Isangoma (die Bezeichnung für einen Heiler, der eine Krankheit austreibt) eintrug, wies rasch nach, daß Ngubase weder einen akademischen Grad besaß noch jemals ein Mitglied des ANC, geschweige denn des Nationalen Exekutivkomitees des ANC gewesen war. Berrange legte Beweise dafür vor, daß Ngubase die Papiere über den akademischen Titel gefälscht hatte; er war überdies mehrere Jahre lang illegal als Anwalt tätig gewesen, außerdem lief gegen ihn ein weiteres Verfahren wegen Betrugs. Zu der Zeit, da er angeblich dem Treffen beigewohnt hatte, bei dem die Unruhen in Port Elizabeth geplant worden seien, hatte er in Wirklichkeit in einem Gefängnis in Durban eine Haftstrafe wegen Betrugs abgesessen. So gut wie nichts von Ngubases Aussage hatte auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der Wahrheit. Am Ende des Kreuzverhörs fragte Berrange den Zeugen: »Wissen Sie, was ein Schurke ist?« Ngubase erwiderte, das wisse er nicht. »Sie, Sir, sind ein Schurke!« rief Berrange aus.
Joe Slovo, einer der Angeklagten und brillanter Anwalt, führte seine Verteidigung selbst. Auf den Staatsanwalt wirkte er irritierend wegen seiner scharfen Fragen und seiner Versuche nachzuweisen, daß der Staat gegen Gesetze verstieß, nicht der Kongreß. Slovos Kreuzverhöre waren oft genauso vernichtend wie die von Berrange. Detective Jeremiah Mollson, einer der wenigen Afrikaner, die zur Special Branch gehörten, behauptete, sich wörtlich an Sätze erinnern zu können, die er in ANC-Reden gehört haben wollte. Doch was er berichtete, war schierer Unsinn oder unverkennbare Erfindung.
Slovo: »Verstehen Sie Englisch?«
Mollson: »Nicht so gut.«
Slovo: »Soll das heißen, daß Sie diese Reden auf englisch berichtet haben, obwohl Sie Englisch nicht gut verstehen?«
Mollson: »Ja, Euer Gnaden.«
Slovo: »Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Ihre Notizen ein Haufen Blödsinn sind?«
Mollson: »Ich weiß nicht.«
Diese letzte Antwort rief bei den Angeklagten Gelächter hervor. Der Magistrate tadelte uns dafür, indem er sagte: »Das Verfahren ist nicht so komisch, wie es erscheinen mag.«
An einem Punkt erklärte Wessels gegenüber Slovo, er verletze die Integrität des Gerichts, und er wurde mit einer Geldstrafe belegt. Dies rief bei den meisten Angeklagten großen Zorn hervor, und es war nur Häuptling Luthulis mäßigender Art zu verdanken, daß nicht auch eine Anzahl von Angeklagten wegen Mißachtung des Gerichts belangt wurden.
Während das Verfahren samt all seinen langwierigen juristischen Manövern seinen Weg ging, begannen wir, uns mit anderen Dingen zu beschäftigen. Oft brachte ich ein Buch zum Lesen mit oder ein juristisches Schriftstück, an dem ich arbeitete. Andere lasen Zeitungen, lösten Kreuzworträtsel, spielten Schach oder Scrabble. Gelegentlich tadelte uns der Magistrate wegen mangelnder Aufmerksamkeit, und die Bücher und Rätsel verschwanden. Nach und nach jedoch, wenn die Aussagen im Schneckentempo fortgesetzt wurden, kamen Spiele und Lesematerial wieder zum Vorschein.
Im Laufe der Voruntersuchung wurde die Anklage immer verzweifelter, und es wurde immer deutlicher, daß sie alles daransetzte, Beweismaterial zusammenzutragen, und oft wurden Beweise fabriziert, um ihr zu helfen bei dem, was eine verlorene Sache zu sein schien.
Schließlich, am 11. September, zehn Monate, nachdem wir uns zum erstenmal in der Drill Hall versammelt hatten, verkündete der Ankläger, daß der Staat im Rahmen der Voruntersuchung den Fall abgeschlossen habe. Der Magistrate gab der Verteidigung vier Monate, um 8000 vollgeschriebene Seiten und 10000 Dokumente zur Vorbereitung ihrer Sache zu sichten.
Die Voruntersuchung hatte das ganze Jahr 1957 in Anspruch genommen. Im September vertagte sich das Gericht, und die Verteidigung machte sich an die Sichtung des Beweismaterials. Drei Monate später verkündete die Krone völlig überraschend und ohne weitere Erklärung, daß gegen 61 der Beschuldigten die Anklagen fallengelassen würden. Bei den meisten dieser Leute handelte es sich um relativ unbedeutende Mitglieder des ANC, doch waren auch
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