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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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März, reagierte das Land auf großartige Weise, als mehrere hunderttausend Afrikaner den Aufruf des Häuptlings befolgten. Nur eine wirkliche Massenorganisation war imstande, solche Aktivitäten zu koordinieren, und der ANC vollbrachte dies. In Kapstadt kam in der Langa-Township eine Menge von 50000 Menschen zusammen, um gegen die Schießerei zu protestieren. In vielen Gebieten brachen Unruhen aus. Die Regierung erklärte den Notstand, setzte die Habeaskorpusakte außer Kraft und stattete sich zum Einschreiten gegen jede Art von Subversion mit Sondervollmachten aus. In Südafrika herrschte jetzt Kriegsrecht.
     
     
    Am 30. März gegen halb zwei in der Frühe weckten mich harte, unangenehme Schläge gegen meine Tür, die unverkennbare Signatur der Polizei. »Die Zeit ist gekommen«, sagte ich mir, als ich die Tür öffnete und mich einem halben Dutzend bewaffneter Sicherheitspolizisten gegenübersah. Sie durchsuchten das Haus, stellten es praktisch auf den Kopf und nahmen jedes Stück Papier an sich, das sie finden konnten, darunter auch die Transkripte, die ich kürzlich von den Erinnerungen meiner Mutter angefertigt hatte; sie betrafen die Familiengeschichte und Stammesfabeln, und ich sah sie niemals wieder. Sodann wurde ich ohne Haftbefehl festgenommen. Eine Gelegenheit, mit meinem Anwalt zu telefonieren, gab die Polizei mir nicht. Sie weigerte sich, meine Frau darüber zu informieren, wohin sie mich bringen würde. Ich nickte Winnie nur zu; für tröstende Worte war keine Zeit.
    Eine halbe Stunde später erreichten wir die Newlands-Polizeistation, die mir bekannt war von den vielen Besuchen, die ich Klienten dort abgestattet hatte. Die Polizeistation befand sich in Sophiatown oder vielmehr in dem, was von Sophiatown noch übrig war, denn die einst von Menschen wimmelnde Township war jetzt ein Ruinenfeld aus mit Bulldozern niedergewalzten Gebäuden und leeren Grundstücken. In der Polizeistation fand ich eine Anzahl meiner Gefährten, die auf ähnliche Weise aus dem Bett geholt worden waren, und im Laufe der Nacht trafen immer mehr ein, so daß wir gegen Morgen insgesamt 40 waren. Man pferchte uns in einen engen Hof mit dem Himmel als Dach darüber und einer trüben Glühbirne als Lichtquelle. Der Hof war so klein und außerdem feucht, daß wir die ganze Nacht hindurch stehen blieben.
    Um 7.15 Uhr wurden wir in eine winzige Zelle geführt mit einem einzigen Abflußloch im Fußboden, das nur von außen gespült werden konnte. Man gab uns keine Decken, kein Essen, keine Matten und kein Toilettenpapier. Das Loch war regelmäßig verstopft, und der Gestank in der Zelle war unerträglich. Wir protestierten immer wieder, verlangten vor allem auch Essen für uns. Die Proteste wurden mürrisch zurückgewiesen, und wir beschlossen, wir würden, wenn sich die Tür das nächste Mal öffnete, hinausdrängen auf den benachbarten Hof und uns weigern, zurückzukehren in die Zelle, bevor wir etwas zu essen bekommen hatten. Der junge, diensthabende Polizist verdrückte sich vor Angst, als wir durch die Tür hinausstürmten. Einige Minuten später erschien ein stämmiger, bärbeißiger Sergeant auf dem Hof und befahl uns, in die Zelle zurückzukehren. »Rein mit euch!« schrie er. »Wenn ihr nicht gehorcht, hole ich fünfzig Leute mit Schlagstöcken, und wir schlagen euch die Schädel ein!« Nach den Greueln von Sharpeville klang das nicht gerade nach einer leeren Drohung.
    Der Stationskommandeur trat zum Hoftor, um uns zu beobachten, und kam dann zu mir, um mich dafür anzuschnauzen, daß ich mit meinen Händen in den Taschen dastand. »Ist das ein Benehmen in Anwesenheit eines Offiziers?« brüllte er. »Nehmen Sie Ihre verdammten Hände aus den Taschen!« Ich hielt meine Hände tief vergraben in meinen Taschen, so als machte ich an einem eisigen Tag einen Spaziergang. Ich erwiderte, daß ich vielleicht geruhen würde, meine Hände aus den Taschen zu nehmen, falls wir Verpflegung erhielten.
    Um drei Uhr nachmittags, über zwölf Stunden, nachdem die meisten von uns hier eingetroffen waren, bekamen wir einen Behälter mit dünnem, mehligem Brei, jedoch ohne irgendein Eßgeschirr. Normalerweise hätte ich das für nicht eßbar erachtet, doch wir langten mit unseren ungewaschenen Händen hinein und aßen, als habe man uns die köstlichsten Delikatessen unter der Sonne serviert. Nach der Mahlzeit wählten wir ein Komitee, das uns vertreten sollte und zu dem Duma Nokwe, Z. B. Molete, der Sekretär für Öffentlichkeitsarbeit des

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