Der lange Weg zur Freiheit
die PAC-Leute. Im Magistrate’s Court (Amtsgericht) erklärte Sobukwe, der PAC werde sich nicht zu verteidigen suchen, gemäß ihrem Slogan: »Keine Kaution, keine Verteidigung, keine Geldstrafe.« Die Angeklagten glaubten, sie würden mit wenigen Wochen Haft davonkommen. Doch Sobukwe wurde nicht zu drei Wochen, sondern zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, ohne die Wahl einer Geldstrafe.
In Johannesburg waren die Reaktionen auf den Aufruf des PAC vernachlässigenswert. In Durban, Port Elizabeth oder East London fanden überhaupt keine Demonstrationen statt. In Evaton jedoch gelang es Z. B. Molete mit tatkräftiger Hilfe von Joe Molefi, die gesamte Township auf die Beine zu bringen: Mehrere hundert Männer ohne Pässe stellten sich zur Verhaftung. Kapstadt erlebte eine der größten Antipaßdemonstrationen in der Geschichte der Stadt. In der Langa-Township außerhalb von Kapstadt versammelten sich rund 30000 Menschen unter Führung des jungen Studenten Philip Kgosana und wurden durch den Einsatz von Schlagstöcken durch die Polizei zum Aufruhr aufgestachelt. Zwei Menschen fanden den Tod. Doch am verhängnisvollsten ging es im letzten der genannten Gebiete zu, und dem Namen des Ortes haftet noch immer ein tragischer Klang an: Sharpeville.
Sharpeville war eine kleine Township ungefähr 50 Kilometer südlich von Johannesburg, im düsteren industriellen Komplex um Vereeniging gelegen. PAC-Aktivisten hatten dort hervorragende organisatorische Arbeit geleistet. Am frühen Nachmittag umringten mehrere tausend Menschen die Polizeistation. Die Demonstranten waren unbewaffnet und unter Kontrolle. Die kleine Polizeitruppe von 75 Mann war zahlenmäßig weit unterlegen und geriet in Panik. Niemand hörte Warnschüsse oder einen Schießbefehl, doch plötzlich eröffnete die Polizei das Feuer auf die Menschenmenge und schoß noch weiter, als sich die Demonstranten umwandten und in ihrer Angst fortliefen. Als der Platz geräumt war, zählte man 69 tote Afrikaner, die meisten von ihnen mit Schüssen im Rücken, da sie geflüchtet waren. Insgesamt waren über 700 Schüsse in die Menge gefeuert worden und hatten mehr als 400 Menschen verletzt, darunter auch viele Frauen und Kinder. Es war ein Massaker, und am nächsten Tag zeigten Pressefotos auf den Frontseiten der Zeitungen das Blutbad in der ganzen Welt.
Die Schüsse von Sharpeville lösten nationale Unruhen und eine Regierungskrise aus. Aus aller Welt kamen empörte Proteste, unter anderem auch vom amerikanischen Außenministerium. Zum erstenmal intervenierte der UN-Sicherheitsrat in südafrikanischen Angelegenheiten; er machte die Regierung für die Schießerei verantwortlich und forderte sie auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Gleichberechtigung unter den Rassen herbeizuführen. Die Börsenkurse taten in Johannesburg einen tiefen Sturz, und das Kapital begann, aus dem Land abzufließen. Südafrikanische Weiße beschäftigten sich mit Auswanderungsplänen. Liberale drängten Verwoerd, Afrikanern gegenüber Konzessionen zu machen. Die Regierung beharrte auf ihrer Behauptung, Sharpeville sei das Ergebnis einer kommunistischen Verschwörung. Das Massaker von Sharpeville schuf eine neue Situation im Land. Obwohl ihre Führer amateurhaft und opportunistisch vorgegangen waren, hatten die PAC-Anhänger bei ihren Demonstrationen in Sharpeville und Langa viel Mut und Tapferkeit bewiesen. Innerhalb nur eines Tages waren sie in die vordersten Kampfeslinien vorgerückt, und im In- und Ausland wurde Robert Sobukwe als der Retter der Befreiungsbewegung gefeiert. Wir im ANC hatten uns dieser neuen Situation rasch anzupassen, und das taten wir auch.
Eine kleine Gruppe von uns – Walter, Duma Nokwe, Joe Slovo und ich – setzte sich in Johannesburg eine ganze Nacht zusammen, um Reaktionen zu entwerfen. Wir wußten, daß wir von den Ereignissen in irgendeiner Weise Notiz nehmen und den Menschen ein Ventil geben mußten für ihren Zorn und ihre Trauer. Wir legten unsere Pläne Häuptling Luthuli vor, und er akzeptierte sie sofort. Am 26. März verbrannte der Häuptling in Pretoria öffentlich seinen Paß und rief andere dazu auf, seinem Beispiel zu folgen. Er kündigte ein landesweites »Stay-at-home« (»Fernbleiben von der Arbeit«) für den 28. März an, einen nationalen Tag der Trauer und des Protests angesichts der Greuel von Sharpeville. Dann verbrannten Duma Nokwe und ich in Orlando unsere Pässe vor Hunderten von Menschen und Dutzenden von Pressefotografen.
Zwei Tage später, am 28.
Weitere Kostenlose Bücher