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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Menschen und Nationen, selbst wenn sie für Gewaltlosigkeit wären, gegen Angriffe verteidigen.
    Während ich Conco und Luthuli zuhörte, dachte ich bei mir, daß die Richter hier, wahrscheinlich zum erstenmal in ihrem Leben, nicht ihrem Hauspersonal zuhörten, das nur das sagte, was ihre Herren hören wollten, sondern unabhängigen Afrikanern, die sich zu artikulieren wußten, ihre politischen Überzeugungen darlegten und die Art und Weise erläuterten, wie sie hofften, diese zu realisieren.
    Der Häuptling wurde von Rechtsanwalt Trengrove ins Kreuzverhör genommen, der verbissen versuchte, Luthuli zu der Aussage zu bewegen, der ANC sei von Kommunisten beherrscht und verfolge eine doppelte Politik: für die Öffentlichkeit die Politik der Gewaltlosigkeit, insgeheim jedoch den Plan einer gewalttätigen Revolution. Unerschütterlich wies der Häuptling alle Schlußfolgerungen und Unterstellungen Trengroves zurück. Er selbst war die verkörperte Mäßigung, zumal wenn Trengrove die Kontrolle zu verlieren schien. An einem Punkt beschuldigte Trengrove den Häuptling der Heuchelei. Der Häuptling ignorierte Trengroves Verleumdung und erklärte dem Gericht in aller Ruhe: »My Lord, mir scheint, die Krone ist außer Rand und Band.«
    Am 21. März wurde die Zeugenaussage des Häuptlings unterbrochen durch ein aufrüttelndes Ereignis außerhalb des Gerichts. An jenem Tag wurde das Land von einem Ereignis von solcher Tragweite erschüttert, daß das Gericht, als der Häuptling einen Monat später seine Aussagen fortsetzte, zu einem anderen Ort geworden war – wie Südafrika insgesamt.
     
     
    Die Jahreskonferenz des ANC wurde im Dezember 1959 in Durban abgehalten, während der eindrucksvollen Antipaßdemonstrationen in jener Stadt. Die Konferenz sprach sich einstimmig für eine massive, landesweite Antipaßkampagne aus, die am 31. März beginnen und ihren Höhepunkt am 26. Juni mit einer demonstrativen Massenverbrennung von Pässen finden sollte.
    Mit der Planung wurde unverzüglich begonnen. Am 31. März wurden Abordnungen zu Lokalbehörden entsandt. ANC-Funktionäre reisten durch das Land und sprachen vor Ortsgruppen über die Kampagne. Aktive ANC-Mitglieder verbreiteten die Nachricht in Townships und Fabriken. Flugzettel, Aufkleber und Poster wurden gedruckt und in Zügen und Bussen angebracht.
    Die Stimmung im Land war düster. Der Staat drohte damit, die Organisation zu verbieten; Kabinettsmitglieder warnten den ANC, er werde bald mit »blanker Faust« hinweggefegt werden. Anderswo in Afrika war der Freiheitskampf auf dem Vormarsch: Das Entstehen der unabhängigen Republik Ghana im Jahr 1957 und deren panafrikanischer, gegen die Apartheid eingestellter Führer Kwame Nkrumah versetzten die Nationalisten in Alarm und bestärkten sie in ihrer Entschlossenheit, Unruhe im eigenen Land zu unterdrücken. 1960 sollten mehr als ein Dutzend ehemalige Kolonien in Afrika unabhängige Staaten werden. Mitte des Jahres sollte der britische Premierminister Harold Macmillan Südafrika besuchen und vor dem Parlament eine Rede halten, in der er von dem »Wind des Wandels« sprach, der über Afrika hinwegginge.
    Der PAC schien zu dieser Zeit verloren; er war lediglich eine Führung auf der Suche nach Anhängern, und noch immer hatte er keine Aktion zuwege gebracht, die ihn auf die politische Bühne hob. Seine Führungsmitglieder wußten von der Antipaßkampagne des ANC und waren eingeladen worden, dabei mitzumachen, aber statt mit der Kongreßbewegung zusammenzuarbeiten, versuchten sie uns zu sabotieren. Der PAC verkündete, er werde am 21. März seine eigene Antipaßkampagne starten, zehn Tage vor Beginn der unsrigen. Sie hatten keine Konferenz abgehalten, um über das Datum zu diskutieren, und keine organisatorische Arbeit von irgendwelchem Belang war geleistet worden. Das war ein eklatanter Fall von Opportunismus. Das Motiv ihrer Aktionen war eher der Wunsch, den ANC auszustechen als den Gegner zu besiegen.
    Vier Tage vor der angesetzten Demonstration lud uns Sobukwe ein, sich dem PAC anzuschließen. Sein Angebot war keine Geste der Einigkeit, sondern ein taktischer Zug, um zu verhindern, daß der PAC dafür kritisiert würde, uns nicht einbezogen zu haben. Er machte das Angebot kurz vor zwölf, und wir lehnten die Teilnahme ab. Am Morgen des 21. März marschierten Sobukwe und seine Exekutive in Orlando zur Polizeistation, um sich der Verhaftung zu stellen. Die Zehntausende von Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit waren, ignorierten

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