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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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erhielt Richter Rumpff die Mitteilung, daß sich die Polizei weigere, den Häuptling zum Gericht zu bringen. Der Richter vertagte den Prozeß auf den nächsten Tag, und wir erwarteten, nach Hause fahren zu können. Doch als wir den Gerichtsbereich verlassen wollten, um ein Verkehrsmittel zu finden, wurden wir alle erneut verhaftet.
    Aber in ihrem wie üblich desorganisierten Übereifer leistete sich die Polizei einen komischen Irrtum. Wilton Mkwayi, einer der Angeklagten, langjähriger Gewerkschaftsführer und ANC-Mann, war von Port Elizabeth zum Prozeß in Pretoria gereist. Irgendwie war er von seinen Gefährten getrennt worden, und als er sich dem Tor näherte und den Wirrwarr sah, den die Verhaftung seiner Mitangeklagten verursachte, fragte er einen Polizisten, was da vor sich gehe. Der Polizist befahl ihm, sich davonzuscheren. Wilson blieb stehen. Der Polizist wiederholte seinen Befehl, und Wilton sagte ihm, er sei doch einer der Angeklagten. Der Officer nannte ihn einen Lügner und drohte, ihn wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu verhaften. Wütend befahl er ihm abermals, das Gelände zu verlassen. Wilton zuckte mit den Schultern, ging durch das Tor hinaus, und das war das letzte Mal, daß Wilton im Gericht gesehen wurde. Für die nächsten beiden Monate ging er in den Untergrund, vermied es erfolgreich, verhaftet zu werden, und wurde dann aus dem Land geschmuggelt, wo er bald als ausländischer Vertreter für den Congress of Trade Unions (Gewerkschaftskongreß) auftrat. Später ging er zur militärischen Ausbildung nach China.
    In jener Nacht stießen Inhaftierte aus anderen Teilen von Transvaal zu uns. Die landesweite Polizeiaktion hatte zur Verhaftung ohne Anhörung von mehr als 2000 Menschen geführt. Die Männer und Frauen gehörten allen Rassen und allen Antiapartheid-Parteien an. Eine landesweite Einberufung von Soldaten war angekündigt worden, Armee-Einheiten waren mobilisiert und überall im Land in strategischen Bereichen stationiert worden. Am 8. April wurden sowohl der ANC als auch der PAC nach dem Suppression of Communism Act zu illegalen Organisationen erklärt. Über Nacht war es zum Verbrechen geworden, Mitglied des ANC zu sein, ein Verbrechen, das mit Gefängnis- oder Geldstrafe belegt werden konnte. Die Strafe für die Förderung der Ziele des ANC war Gefängnis bis zu zehn Jahren. Jetzt waren sogar gewaltlose, Gesetze mißachtende Proteste unter den Auspizien des ANC illegal. Der Kampf war in eine neue Phase eingetreten. Jetzt waren wir alle Outlaws – Gesetzlose.
    Während der Dauer des Notstands blieben wir im Gefängnis in Pretoria, wo die Zustände genauso schlimm waren wie in Newlands. Jeweils fünf Häftlinge wurden in 2,70 Meter mal 2,10 Meter große Zellen gepfercht, die vor Dreck starrten und schlechtes Licht und noch schlechtere Ventilation hatten. Wir hatten nur einen einzigen Sanitäreimer mit losem Deckel und von Ungeziefer wimmelnde Schlafdecken. Täglich durften wir für eine Stunde ins Freie.
    An unserem zweiten Tag in Pretoria schickten wir eine Abordnung zu Colonel Snyman, dem Kommandierenden Offizier, um uns über die Zustände im Gefängnis zu beschweren. Die Antwort des Colonels war ebenso grob wie abrupt. Er bezeichnete unsere Beschwerden als Lügen und verlangte Beweise: »Ihr habt das Ungeziefer aus euren dreckigen Häusern in mein Gefängnis eingeschleppt«, höhnte er.
    Ich erklärte, wir verlangten nach einem Raum, der ruhig und gut beleuchtet war, damit wir uns auf unseren Prozeß vorbereiten könnten. Wieder war der Colonel voller Verachtung: »Regierungsvorschriften verlangen von Häftlingen nicht, Bücher zu lesen, sofern ihr überhaupt lesen könnt.« Trotz des Colonels verächtlicher Haltung wurden die Zellen bald frisch gestrichen und desinfiziert, und wir erhielten neue Schlafdecken und Sanitätseimer. Wir durften einen großen Teil des Tages im Hof verbringen, während jene von uns, die in den Hochverratsprozeß involviert waren, für Konsultationen eine große Zelle benutzen konnten, wo wir auch juristische Bücher aufbewahren durften.
    Das Gefängnis Pretoria Local würde bis auf weiteres unser Zuhause sein. Morgens begaben wir uns zum Prozeß, und nachmittags kehrten wir ins Gefängnis zurück. Im Gefängnis wurden, gemäß den Apartheidsbestimmungen, die Inhaftierten nach Hautfarbe getrennt. Von unseren weißen Mitgefangenen wurden wir natürlich von vornherein getrennt, doch die Trennung von unseren indischen und farbigen Kameraden innerhalb

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