Der lange Weg zur Freiheit
derselben nichtweißen Abteilung kam uns vor wie Wahnsinn. Wir verlangten, gemeinsam untergebracht zu werden, erhielten jedoch alle möglichen absurden Erklärungen, warum dies unmöglich sei. Verbindet sich die sprichwörtliche Inflexibilität der Bürokratie mit der kleinkarierten Beschränktheit des Rassismus, kann das Ergebnis einem fast den Verstand rauben. Immerhin ließen die Behörden es zu, daß die des Hochverrats Angeklagten zusammenbleiben konnten.
Obwohl man uns zusammenließ, wurde uns die Verpflegung nach »rassischen Gesichtspunkten« zugeteilt. Zum Frühstück erhielten Afrikaner, Inder und Farbige die gleichen Mengen, nur daß Inder und Farbige einen halben Teelöffel Zucker bekamen, wir jedoch nicht. Abends waren die Mahlzeiten gleich, ausgenommen daß die Inder und die Farbigen 100 Gramm Brot erhielten, wir hingegen keins. Diese letztere Unterscheidung wurde mit der kuriosen Behauptung begründet, daß Afrikaner von Natur aus kein Brot mögen, das einem kultivierteren oder »westlichen« Geschmack entspreche. Die Kost für die weißen Häftlinge war weit besser als die der Afrikaner. So »farbbewußt« waren die weißen Behörden, daß sich sogar die Art des Zuckers und des Brots für Schwarze und Weiße voneinander unterschied: Weiße Gefangene bekamen weißen Zucker und weißes Brot, während farbige und indische Gefangene braunes Brot und braunen Zucker erhielten.
Wir beklagten uns nachdrücklich über die schlechte Qualität des Essens, und infolgedessen reichte unser Anwalt Sydney Kentridge bei Gericht eine formale Beschwerde ein. Ich erklärte, das Essen sei ungeeignet für den menschlichen Verzehr. Richter Rumpff erklärte sich bereit, das Essen selbst zu probieren, und ging an jenem Tag, etwas zu kosten. Maisgrütze und Bohnen waren das beste Gericht, was das Gefängnis zu bieten hatte, und in diesem Fall hatten sich die Verantwortlichen ganz besonders angestrengt. Richter Rumpff aß einige Löffelvoll und betonte dann, das Essen sei gut gekocht und geschmacklich in Ordnung. Er fügte jedoch hinzu, es sollte »warm« serviert werden. Wir lachten über die Vorstellung von »warmem« Gefängnisessen; das war ein Widerspruch in sich. Schließlich erhielten die Häftlinge dann eine sogenannte »verbesserte Kost«; Afrikaner bekamen Brot, während Inder und Farbige das gleiche Essen bekamen wie Weiße.
Während unserer Haft genoß ich ein außerordentliches Privileg: Wochenendreisen nach Johannesburg. Allerdings handelte es sich dabei nicht um Urlaub aus dem Gefängnis, sondern um Geschäftsreisen, wenn man will. Kurz vor dem Notstand hatte Oliver auf Weisung des ANC Südafrika verlassen. Wir hatten schon lange damit gerechnet, daß der Staat zuschlagen würde, und der Kongreß hatte beschlossen, bestimmte Mitglieder sollten das Land verlassen, um die Organisation im Ausland zu stärken und sich so auf den Zeitpunkt vorzubereiten, da man den ANC völlig verbieten würde.
Olivers Abreise war eine der bestgeplanten und glücklichsten Aktionen, welche die Bewegung je unternommen hatte. Damals ahnten wir kaum, wie absolut lebenswichtig der externe Flügel werden würde. Mit seiner Klugheit und Ruhe, seiner Geduld und seinem organisatorischen Können, seiner Fähigkeit zu führen und zu inspirieren, ohne jemandem auf die Zehen zu treten, war Oliver für diese Aufgabe die perfekte Wahl. Vor seiner Abreise hatte Oliver einen gemeinsamen Freund von uns, Hymie Davidoff, einen lokalen Anwalt, damit beauftragt, unser Büro zu schließen und unsere Praxis abzuwickeln. Davidoff richtete ein spezielles Gesuch an Colonel Prinsloo, mir zu gestatten, an den Wochenenden nach Johannesburg zu kommen, um ihm zu helfen, alles in Ordnung zu bringen. In einem Anfall von Großzügigkeit willigte Colonel Prinsloo ein und gestattete mir, mich freitags nachmittags nach Johannesburg fahren zu lassen, um über das Wochenende im Büro zu arbeiten und am Montagmorgen zum Prozeß zurückzukehren. Sergeant Kruger und ich fuhren los, nachdem sich das Gericht am Freitag um ein Uhr vertagt hatte, und nach Ankunft im Büro arbeitete ich dann mit Davidoff und unserem Buchhalter Nathan Marcus. Die Nächte verbrachte ich im Marshall-Square-Gefängnis, die Tage im Büro.
Sergeant Kruger war ein großer und imposanter Mann, der uns fair behandelte. Auf dem Weg von Pretoria nach Johannesburg hielt er oft an und ließ mich im Auto sitzen, während er in einen Laden ging, um für uns Biltongue, Orangen und Schokolade zu
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