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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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oder zweimal machte sie sogar kleine Vorschläge. Ich betrachtete dies als eines der positiven Nebenprodukte des Prozesses. Die meisten dieser Wärterinnen hatten keine Ahnung, warum wir im Gefängnis waren, und begannen nach und nach zu entdecken, wofür wir kämpften und warum wir überhaupt bereit waren, Gefängnis zu riskieren.
    Dies ist genau der Grund, warum die National Party so erbittert gegen alle Formen von Integration eingestellt war. Nur eine weiße Wählerschaft, indoktriniert mit der Idee von der schwarzen Gefahr und ignorant, was afrikanische Ideen und Politik betraf, konnte die monströse rassistische Philosophie der National Party unterstützen. In diesem Fall würde größere Vertrautheit nicht Verachtung schaffen, sondern vielmehr Verständnis und schließlich sogar Harmonie.
    Die unbeschwerten Augenblicke im Gefängnis konnten die schweren jedoch nicht aufwiegen. Winnie durfte mich mehrmals besuchen, während ich in Pretoria war, und sie brachte jedesmal Zenani mit, die gerade zu gehen und zu sprechen anfing. Ich nahm sie auf den Arm und küßte sie, falls die Wächter es mir erlaubten, und am Ende des Besuchs gab ich sie Winnie zurück. Während Winnie sich verabschiedete und die Wächter die beiden hinausführten, winkte Zeni mir oft zu, doch mitzukommen, und ich konnte von ihrem verwirrten Gesichtchen ablesen, daß sie nicht verstand, warum das nicht möglich war.
    Farid Adams führte Helen vor Gericht geschickt durch ihre Hauptaussage. Häufig ließ er sich mit den Richtern auf Argumente ein und stach sie manchmal aus. Wir waren jetzt voller Energie; keiner vertrieb sich noch die Zeit mit dem Lösen von Kreuzworträtseln. Während sich die Angeklagten beim Kreuzverhör der Zeugen abwechselten, erhielten Krone und Anklage zum erstenmal einen Eindruck vom wahren Format der Männer und Frauen, denen sie den Prozeß machten.
    Da wir im Supreme Court, dem Obersten Gericht, waren, durfte nur Duma, als Verteidiger, die Richter direkt ansprechen. Ich als Anwalt konnte ihn zwar instruieren, doch es war mir rechtstechnisch nicht gestattet, das Gericht anzusprechen, und das gleiche galt auch für die anderen Angeklagten. Wir entließen unsere Verteidiger in der korrekten Annahme, daß ein Angeklagter, wenn niemand ihn vertrat, sich unmittelbar an das Gericht würden wenden dürfen. Als ich das Gericht ansprach, wurde ich von Richter Rumpff, der uns frustrieren wollte, unterbrochen. »Es ist Ihnen doch bekannt, Mr. Mandela«, sagte er, »daß Mr. Nokwe als Verteidiger der einzige Jurist ist, der zum Gericht sprechen darf.« Worauf ich erwiderte: »Sehr wohl, my Lord, ich glaube, daß wir alle bereit sind, uns daran zu halten, solange Sie bereit sind, Mr. Nokwe sein Honorar zu zahlen.« Von da an gab es keine Einwände mehr, wenn irgendeiner der Angeklagten das Gericht ansprach.
    Während Farid Helen und die folgenden Zeugen befragte, saßen Duma und ich rechts und links von ihm, versorgten ihn mit Fragen und halfen ihm bei auftretenden juristischen Problemen. Im allgemeinen mußten wir ihm nicht allzu häufig soufflieren. Aber eines Tages, als wir ständig unter Druck standen, flüsterten wir ihm alle paar Sekunden etwas zu. Farid wirkte erschöpft, und Duma und mir ging der Stoff aus. Plötzlich und ohne sich erst mit uns zu beraten, bat Farid die Richter um Vertagung; er sei ermüdet. Die Richter lehnten die Vertagung ab, weil es keinen ausreichenden Grund gebe, und wiederholten die Warnung, die sie uns beim Rückzug unserer Anwälte erteilt hatten.
    Als wir an diesem Nachmittag zum Gefängnis zurückfuhren, kam kein Gesang auf, und alle saßen mit verdrossenen Gesichtern da. Unter den Angeklagten braute sich eine Krise zusammen. Als wir im Gefängnis ankamen, forderten mehrere der Angeklagten ein Meeting. Ich rief alle Männer zusammen, und J. Nkampeni, ein Geschäftsmann aus Port Elizabeth, der während der Mißachtungskampagne den Familien der Widerständler geholfen hatte, wurde zum Sprecher für das, was sich als Attacke entpuppte.
    »Madiba«, sagte er, als Zeichen des Respekts meinen Clan-Namen benutzend, »ich möchte, daß du uns sagst, warum du unsere Anwälte weggeschickt hast.« Ich erinnerte ihn daran, daß unsere Anwälte nicht von einem einzelnen entlassen worden waren, sondern daß ihr Rückzug von allen, auch von ihm, gebilligt worden sei. »Aber was wußten wir schon über Rechtsprozeduren, Madiba?« sagte er. »Wir haben uns auf euch Anwälte verlassen.«
    Eine große Anzahl der

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