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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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dreißig Sekunden ab; es dröhnte gewaltig, und es wurde viel Erde emporgeschleudert. Die Explosion verlief erfolgreich, und wir machten alle, daß wir so schnell wie möglich zu unseren Autos kamen, und fuhren in verschiedene Richtungen davon.
    Ich fühlte mich in Berea sicher. Ich ging nicht hinaus, und da es ein weißes Gebiet war, würde die Polizei kaum auf den Gedanken kommen, hier nach mir Ausschau zu halten. Wenn ich tagsüber in der Wohnung las, stellte ich oft einen halben Liter Milch auf das Fensterbrett, um sie zum Gären zu bringen. Ich trinke saure Milch für mein Leben gern; bei den Xhosa wird sie »Amasi« genannt und gilt als gesunde und nahrhafte Kost. Sie ist sehr einfach herzustellen; man braucht die Milch nur an der offenen Luft stehen und gerinnen zu lassen. Sie wird dann dick und sauer, ähnlich wie Joghurt. Ich drängte sogar Wolfie, sie zu probieren, doch er schnitt nur eine Grimasse, als er davon kostete.
    Eines Abends – Wolfie war aus der Stadt zurückgekehrt, und wir unterhielten uns – hörte ich draußen ein Gespräch, unweit des Fensters. Ich konnte hören, wie zwei junge schwarze Männer Zulu sprachen, doch ich konnte sie nicht sehen, da die Vorhänge zugezogen waren. Ich bedeutete Wolfie, ruhig zu sein.
    »Was macht denn ›unsere Milch‹ auf dem Fensterbrett dort?« fragte der eine.
    »Wovon redest du?« fragte der andere.
    »Die saure Milch – ›Amasi‹ – auf dem Fensterbrett«, erklärte er. »Wie kommt die dorthin?« Schweigen folgte. Der aufmerksame junge Bursche meinte, nur ein Schwarzer stelle Milch so auf eine Fensterbank, und was machte ein Schwarzer in einem weißen Gebiet? Mir war klar, daß ich hier nicht länger bleiben konnte. In der folgenden Nacht brach ich auf, um einen anderen Unterschlupf zu suchen.
    Ich wohnte im Haus eines Arztes in Johannesburg, schlief nachts im Quartier für Bedienstete und arbeitete tagsüber im Arbeitszimmer des Arztes. Näherte sich tagsüber jemand dem Haus, stürzte ich hinaus zum Hinterhof und spielte den Gärtner. Dann verbrachte ich etwa zwei Wochen auf einer Zuckerplantage in Natal und lebte bei einer Gruppe afrikanischer Arbeiter und ihren Familien in einer kleinen Gemeinde namens Tongaat an der Küste nördlich von Durban. Ich wohnte in einer Herberge und gab mich als Landwirtschaftsexperte aus, der im Auftrag der Regierung das Land bewerten sollte.
    Die Organisation hatte mich mit entsprechenden Geräten ausgerüstet, und ich verbrachte täglich einen Teil meiner Zeit damit, den Erdboden zu prüfen und Experimente durchzuführen. Ich verstand wenig von dem, was ich tat, und ich glaube kaum, daß ich die Leute von Tongaat zum Narren hielt. Aber diese Männer und Frauen, zumeist Farmarbeiter, besaßen eine natürliche Art von Verschwiegenheit und stellten auch meine Identität nicht in Frage, selbst als sie sahen, daß nachts in Autos Leute eintrafen, darunter auch wohlbekannte lokale Politiker. Oft war ich die ganze Nacht hindurch bei Zusammenkünften und schlief dann den ganzen Tag – nicht gerade der normale Zeitablauf für einen Landwirtschaftsexperten. Doch obwohl ich mit anderen Dingen beschäftigt war, fühlte ich mich der Gemeinde doch verbunden. Ich besuchte die Sonntagsgottesdienste und genoß den altmodischen, bibelverhafteten Predigerstil dieser zionistisch-christlichen Geistlichen. Kurz bevor ich weiterziehen wollte, bedankte ich mich bei einem älteren Mann dafür, daß er sich um mich gekümmert habe. Er antwortete: »Du bist natürlich willkommen, aber Kwuedeni (junger Mann), sag uns doch bitte, was will Häuptling Luthuli?« Ich stutzte unwillkürlich und erwiderte schnell: »Nun, es wäre besser, ihn selbst zu fragen, denn ich kann nicht für ihn sprechen, aber wie ich ihn verstehe, will er, daß wir unser Land zurückbekommen, will er, daß unsere Könige ihre Macht zurückerhalten, und er will, daß wir unsere Zukunft selbst bestimmen und unser Leben so führen können, wie wir das für richtig halten.«
    »Und wie will er das erreichen, wenn er keine Armee hat?« fragte der alte Mann.
    Nur zu gern hätte ich ihm gesagt, daß ich gerade eifrig damit beschäftigt war, ebendiese Armee aufzustellen, aber das ging natürlich nicht. Obwohl mich seine Empfindungen ermutigten, war ich doch beunruhigt, daß auch andere meine Mission durchschaut hatten. Wieder war ich zu lange an einem Ort geblieben, und in der folgenden Nacht verschwand ich genauso unauffällig, wie ich gekommen war.
     
     
    Meine nächste

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