Der lange Weg zur Freiheit
Über den Bergen versuchte der Pilot Kontakt mit Mbeya aufzunehmen, doch er bekam keine Antwort. Immer wieder rief er »Mbeya, Mbeya« ins Mikrofon. Das Wetter war umgeschlagen, und die Berge waren voller Luftlöcher, in denen unser Flugzeug wie ein Korken auf rauher See auf und ab sprang. Wir flogen nun durch Wolken und Nebelschwaden, und in seiner Verzweiflung senkte der Pilot die Maschine und folgte einer gewundenen Straße durch das Gebirge. Zu dieser Zeit war der Nebel so dicht geworden, daß wir die Straße nicht erkennen konnten, und als der Pilot die Maschine abrupt wendete, erkannte ich, daß wir nur knapp einen Berg verfehlt hatten, der aus dem Nichts aufzusteigen schien. Der Notruf ging hinaus, und ich erinnere mich, daß ich mir sagte: »Das ist dein Ende.« Selbst der stets gesprächige Joe war grabesstill. Doch dann, als wir in den Wolken nichts mehr sehen konnten und ich mir vorstellte, wir würden gleich gegen einen Berg prallen, tauchten wir aus dem schlechten Wetter in einen glorios strahlenden Himmel auf. Ich habe das Fliegen nie sonderlich gemocht, und da dies das erschreckendste Erlebnis war, das ich je in einem Flugzeug gehabt habe, neige ich manchmal dazu, mich tapfer zu geben und zu behaupten, ich sei nicht beunruhigt.
Wir nahmen Quartier in einem Hotel am Ort und trafen auf eine Menge Schwarzer und Weißer, die auf der Veranda saßen und höflich Konversation machten. Nie zuvor war ich an einem öffentlichen Ort oder in einem Hotel ohne Farbschranken gewesen. Wir warteten auf Mr. Mwakangale von der Tanganjika African National Union, doch das uns unbekannte Parlamentsmitglied hatte bereits nach uns Ausschau halten lassen. Ein afrikanischer Gast näherte sich der weißen Empfangsdame. »Madam, hat ein Mr. Mwakangale nach diesen beiden Gentlemen gefragt?«
»Verzeihung, Sir«, erwiderte sie. »Das stimmt, aber ich habe vergessen, es ihnen zu sagen.«
»Bitte mehr Aufmerksamkeit, Madam«, erklärte er in höflichem, doch festem Ton. »Diese Männer sind unsere Gäste, und wir möchten, daß ihnen angemessene Aufmerksamkeit zuteil wird.« In diesem Augenblick begriff ich wirklich, daß ich in einem Land war, in dem Afrikaner herrschten. Zum erstenmal in meinem Leben war ich ein freier Mann. Obwohl ich Flüchtling war, gesucht in meinem eigenen Land, fühlte ich, wie die Last der Unterdrückung von meinen Schultern abfiel. Wohin ich auch ging in Tanganjika, überall wurde meine Hautfarbe sofort akzeptiert und nicht mechanisch abgelehnt. Zum erstenmal wurde ich nicht nach meiner Hautfarbe beurteilt, sondern nach Verstand und Charakter. Obwohl ich während meiner Reisen oft Heimweh hatte, hatte ich trotzdem das Gefühl, als sei ich zum erstenmal wirklich daheim.
Am nächsten Tag kamen wir in Daressalam an, und ich traf mich mit Julius Nyerere, dem ersten Präsidenten des neuerdings unabhängigen Landes. Wir sprachen in seinem Haus, das sich recht bescheiden ausnahm, und ich erinnere mich, daß er ein einfaches Auto, einen kleinen Austin, fuhr. Dies beeindruckte mich, denn es ließ darauf schließen, daß er ein Mann des Volkes war. Klassen, behauptete Nyerere stets, seien in Afrika fremd; Sozialismus hingegen natürlich.
Ich legte ihm unsere Situation dar und trug am Ende die Bitte um Hilfe vor. Er war ein gescheiter, sanft sprechender Mann, der unserer Mission gewogen war, doch seine Einschätzung der Situation überraschte und erschreckte mich. Er meinte, wir sollten den bewaffneten Kampf verschieben, bis Sobukwe aus dem Gefängnis entlassen würde. Dies war die erste von vielen Gelegenheiten, bei denen ich erfuhr, wie anziehend der PAC auf das übrige Afrika wirkte. Ich beschrieb die Schwäche des PAC und meinte, eine Verschiebung wäre für den Kampf als ganzem ein Rückschlag. Er schlug vor, ich sollte die Gunst von Kaiser Haile Selassie suchen, und er versprach, eine Begegnung zu arrangieren.
Ich hatte mich ursprünglich mit Oliver in Daressalam treffen sollen, doch da ich aufgehalten worden war, hatte er nicht auf mich warten können und mir die Nachricht hinterlassen, ihm nach Lagos zu folgen, wo er an der Lagos-Konferenz unabhängiger Staaten teilnehmen sollte. Auf dem Flug nach Accra begegnete ich Hymie Basner und seiner Frau. Basner, der einmal mein Arbeitgeber gewesen war, war eine Position in Accra angeboten worden. Seine radikalpolitischen und linksgerichteten Aktivitäten hatten ihn in Südafrika zur Persona non grata gemacht, und er suchte in Ghana politisches Asyl.
Das
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