Der lange Weg zur Freiheit
die Anschläge weißen Südafrikanern auch schockartig klar, daß sie auf einem Vulkan saßen. Schwarze Südafrikaner erkannten, daß der ANC nicht länger eine Organisation des passiven Widerstands war, sondern ein mächtiger Speer, der den Kampf in das Herz der weißen Macht tragen würde. Wir planten eine weitere Reihe von Anschlägen, die wir zwei Wochen später, am Silvesterabend, durchführten. Die Verbindung von Glockenklang und heulenden Sirenen war mehr als eine mißtönende Art, das neue Jahr einzuläuten, sondern es war ein Klang, das eine neue Ära unseres Freiheitskampfes symbolisierte.
Winniepflegte Zindzi und Zenani nach Rivonia mitzubringen, doch sie waren zu jung, um zu verstehen, daß ich mich versteckt hielt. Makgatho, damals elf, war alt genug, um es zu begreifen, und es war ihm eingeschärft worden, vor anderen niemals meinen Namen zu nennen. Ich konnte erkennen, daß er auf seine Weise fest entschlossen war, das Geheimnis meiner Identität zu hüten.
Wenn Winnie zu Besuch war, hatte ich, wenn auch nur kurz, die Illusion, unsere Familie wäre noch intakt. Ihre Besuche wurden seltener, als die Polizei wachsamer wurde. Aber eines Tages, gegen Ende des Jahres, war Makgatho auf der Farm, wo er mit Nicholas Goldreich, Arthurs elfjährigem Sohn, spielte. Winnie hatte mir ein Exemplar der Zeitschrift Drum mitgebracht, und Makgatho und Nicholas stießen beim Spielen darauf. Sie begannen darin zu blättern, bis Makgatho plötzlich bei einem Bild anhielt, das von mir gemacht worden war, bevor ich in den Untergrund gegangen war. »Das ist mein Vater!« rief er aus. Nicholas glaubte ihm nicht, und seine Zweifel spornten Makgatho an zu beweisen, daß er recht hatte. Makgatho erzählte seinem Freund nun, mein richtiger Name sei Nelson Mandela. »Nein, dein Vater heißt David«, erwiderte Nicholas. Dann lief der Junge zu seiner Mutter und fragte sie, ob mein Name David sei oder nicht. Sie erwiderte: »Ja, er ist David.« Da erzählte Nicholas seiner Mutter, Makgatho habe ihm gesagt, der wirkliche Name seines Vaters sei Nelson. Dies beunruhigte Hazel, und ich erfuhr bald von dem Zwischenfall. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, mich zu lange an einem Ort aufgehalten zu haben. Doch ich blieb noch, denn in knapp einer Woche sollte ich zu einer Mission aufbrechen, die mich an Orte führen sollte, von denen ich bisher nur hatte träumen können. Bald sollte mich der Kampf zum erstenmal außerhalb der Grenzen meines Landes führen.
Im Dezember erhielt der ANC eine Einladung von der Pan African Freedom Movement for East, Central and Southern Africa (PAFMECSA) zu ihrer Konferenz in Addis Abeba im Februar 1962. PAFMECSA, aus der später die Organization of African Unity wurde, wollte alle unabhängigen Staaten Afrikas zusammenbringen und die Befreiungsbewegungen auf dem Kontinent fördern. Die Konferenz würde dem ANC wichtige Verbindungen einbringen und für uns die erste und beste Gelegenheit sein, Unterstützung, Geld und Ausbildungskräfte für den MK zu bekommen.
Die Untergrundexekutive forderte mich auf, die ANC-Delegation auf der Konferenz zu leiten. So begierig ich auch war, das übrige Afrika zu sehen und Freiheitskämpfer von meinem eigenen Kontinent kennenzulernen, so war ich doch sehr beunruhigt darüber, daß ich ein Versprechen brechen würde, nämlich das Land nicht zu verlassen, sondern aus dem Untergrund zu operieren. Meine Gefährten, darunter auch Häuptling Luthuli, bestanden darauf, daß ich reiste, forderten aber entschieden, daß ich unmittelbar danach zurückkehrte. Ich entschloß mich, die Reise anzutreten.
Meine Mission in Afrika ging über die simple Teilnahme an der Konferenz weit hinaus. Ich sollte politische und ökonomische Unterstützung für unsere neue militärische Streitkraft gewinnen und, wichtiger noch, militärische Ausbildungsmöglichkeiten für unsere Männer an so vielen Orten auf dem Kontinent wie möglich suchen. Ich war außerdem entschlossen, unsere Reputation im übrigen Afrika, wo wir noch relativ unbekannt waren, kräftig zu fördern. Der PAC hatte eine eigene Propagandakampagne gestartet, und meine Aufgabe war es, wo immer möglich, unsere Sache zu vertreten.
Vor meiner Abreise war ich heimlich nach Groutville gefahren, um mich mit dem Häuptling zu besprechen. Unser Treffen – in einem sicheren Haus in der Stadt – verlief beunruhigend. Wie berichtet, war der Häuptling bei der Bildung des MK dabeigewesen, und wie jedes Mitglied des Nationalen
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