Der lange Weg zur Freiheit
Flugzeug landete in Khartum, und wir stellten uns in die Schlange, um den Zoll zu passieren. Joe Matthews war der erste, dann kam ich, gefolgt von Basner und seiner Frau. Da ich keinen Paß besaß, trug ich ein simples Dokument aus Tanganjika bei mir, auf dem nur stand: »Dies ist Nelson Mandela, ein Bürger der Republik von Südafrika. Er darf Tanganjika verlassen und wieder hierher zurückkehren.« Ich reichte dieses Papier dem alten Sudanesen hinter dem Schalter, und er blickte lächelnd auf und sagte: »Mein Sohn, willkommen im Sudan.« Dann schüttelte er mir die Hand und stempelte mein Dokument ab. Basner stand hinter mir und reichte dem alten Mann die gleiche Art von Dokument. Der Alte warf einen kurzen Blick darauf und sagte dann ziemlich aufgeregt: »Was ist das? Was soll dies Stück Papier? Es ist nicht amtlich.«
Basner erklärte ruhig, es handle sich um ein Dokument, das er in Tanganjika erhalten habe, weil er keinen Paß besitze. »Keinen Paß?« sagte der Beamte verächtlich. »Wie können Sie keinen Paß besitzen – Sie sind doch ein Weißer!« Basner erwiderte, er werde in seinem eigenen Land verfolgt, weil er für die Rechte der Schwarzen kämpfe. Der Sudanese musterte ihn skeptisch: »Aber Sie sind doch ein Weißer!« Joe sah mich an und wußte, was ich dachte: Er flüsterte mir zu, mich nicht einzumischen, da wir Gäste im Sudan seien und die Gastfreundschaft unseres Gastgebers nicht verletzen wollten. Aber abgesehen von der Tatsache, daß Basner einmal mein Arbeitgeber gewesen war, gehörte er zu jenen Weißen, die für die Emanzipation der Schwarzen wahrhaft Risiken auf sich genommen hatten, und ich konnte ihn nicht im Stich lassen. Statt mit Joe weiterzugehen, blieb ich dicht bei dem Beamten stehen, und jedesmal, wenn Basner etwas sagte, beugte ich mich einfach vor und nickte dem Beamten zu, wie um Basners Worte zu bekräftigen. Der alte Mann verstand, was ich meinte, wurde freundlicher, stempelte schließlich das Dokument und erklärte ruhig: »Willkommen im Sudan.«
Ich hatte Oliver fast zwei Jahre lang nicht gesehen, und als er mich vom Flugplatz in Accra abholte, erkannte ich ihn kaum wieder. Früher glatt rasiert und konservativ gekleidet, trug er jetzt einen Bart und ziemlich langes Haar und war in jenem militärischen Stil gekleidet, der für Freiheitskämpfer auf dem Kontinent charakteristisch war. (Seine Reaktion auf mich war wahrscheinlich genau die gleiche.) Es war ein glückliches Wiedersehen, und ich gratulierte ihm zu der gewaltigen Arbeit, die er im Ausland geleistet hatte. Er hatte bereits viele ANC-Büros eingerichtet, in Ghana, England, Ägypten und Tanganjika, und in vielen Ländern wertvolle Kontakte für uns geknüpft. Wohin ich später auch immer reiste, überall erfuhr ich, welch positiven Eindruck Oliver auf Diplomaten und Staatsmänner gemacht hatte. Er war der bestmögliche Botschafter der Organisation.
Das Ziel der Konferenz unabhängiger Staaten in Lagos war die Vereinigung aller afrikanischen Staaten, doch sie zerfiel schließlich in ein Gefeilsche darüber, welche Staaten aufgenommen, welche ausgeschlossen werden sollten. Ich verhielt mich unauffällig und mied die Konferenz, denn wir wollten die südafrikanische Regierung nicht wissen lassen, daß ich im Ausland war, ehe ich auf der PAFMECSA-Konferenz in Addis auftauchte.
Im Flugzeug von Accra nach Addis trafen wir Gaur Radebe, Peter Molotsi und andere Mitglieder des PAC, die gleichfalls auf dem Weg zur PAFMECSA waren. Sie waren alle überrascht, mich zu sehen, und wir vertieften uns sofort in Diskussionen über Südafrika. Die Atmosphäre war vergnüglich und entspannt. Ich war zwar entsetzt gewesen, als ich erfuhr, daß Gaur den ANC verlassen hatte, doch minderte das nicht mein Vergnügen, ihn wiederzusehen. Hoch über der Erde und weit von daheim, hatten wir viel mehr, das uns verband, als uns trennte.
Wir hatten einen kurzen Zwischenstopp in Khartum, wo wir eine Maschine der Ethiopian Airways nahmen. Hier machte ich eine sehr merkwürdige Erfahrung. Als ich in das Flugzeug stieg, sah ich, daß der Pilot schwarz war. Ich hatte noch nie einen schwarzen Piloten gesehen, und in diesem Augenblick mußte ich ein Gefühl der Panik unterdrücken. Wie konnte ein Schwarzer ein Flugzeug fliegen? Doch einen Augenblick später hatte ich mich wieder gefangen: Ich war in das Denkmuster der Apartheid gefallen, nach dem Afrikaner minderwertig waren und nur Weiße fliegen konnten. Ich lehnte mich in meinem Sitz
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