Der lange Weg zur Freiheit
sich mit 200 abzuplagen ist, als trüge man ein kleines Kind auf dem Rücken.
In Khartum empfing mich ein Angestellter der British Airways, der mir mitteilte, mein Flugzeug nach Daressalam fliege erst am nächsten Tag und man habe sich die Freiheit genommen, mich in einem Luxushotel in der Stadt unterzubringen. Ich war verärgert, denn ich hätte es vorgezogen, in einem weniger auffälligen, drittklassigen Hotel zu wohnen.
Im Hotel abgesetzt, hatte ich die lange, elegante Veranda des Hotels zu durchqueren, wo mehrere Dutzend Weiße saßen und tranken. Es war eine Zeit lange vor der Einführung von Metalldetektoren und Sicherheitskontrollen, und ich trug meine Pistole in einem Halfter unter meiner Jacke und 200 Schuß rund um meine Taille unter der Hose. Außerdem besaß ich noch mehrere tausend Pfund in bar. Ich hatte das Gefühl, all diese wohlgekleideten Weißen hätten Röntgenaugen und ich könne jeden Augenblick verhaftet werden. Doch ich wurde sicher auf mein Zimmer geleitet, wo ich Zimmerservice bestellte; schon die Schritte der Kellner machten mich nervös.
Von Khartum reiste ich direkt nach Daressalam, wo ich die erste Gruppe von 21 Umkhonto-Rekruten begrüßte, die zur militärischen Ausbildung nach Äthiopien reisen sollten. Es war ein erhabener Augenblick, denn diese Männer hatten sich freiwillig gemeldet, um in einer Armee zu dienen, die ich aufzustellen versuchte. Sie setzten ihr Leben aufs Spiel in einer Schlacht, die gerade erst begann, eine Schlacht, die besonders gefährlich sein würde für ihre ersten Soldaten. Es waren junge Männer, hauptsächlich aus Städten, und voller Stolz und Eifer. Wir hatten ein gemeinsames Essen in Addis. Die Männer schlachteten mir zu Ehren eine Ziege, und ich sprach über meine Reise und betonte, wie wichtig gutes Benehmen und Disziplin im Ausland seien, schließlich seien sie die Repräsentanten des südafrikanischen Freiheitskampfes. Militärische Ausbildung, erklärte ich, müsse Hand in Hand gehen mit politischer Ausbildung, denn eine Revolution bestehe nicht einfach daraus, den Finger am Drücker einer Schußwaffe zu haben; vielmehr gehe es darum, eine faire und gerechte Gesellschaft zu schaffen. Es war das erste Mal, daß meine eigenen Soldaten vor mir salutierten.
Präsident Nyerere überließ mir ein Privatflugzeug nach Mbeya, und ich flog direkt nach Lobatse. Der Pilot teilte mir mit, daß wir in Kanye landen würden. Das beunruhigte mich: Wieso war der Plan geändert worden? In Kanye empfingen mich der lokale Magistrate und ein Sicherheitsbeamter, beides Weiße. Der Magistrate trat auf mich zu und fragte nach meinem Namen. David Motsamayi, erwiderte ich. Nein, sagte er, nennen Sie mir bitte Ihren richtigen Namen. Wieder sagte ich: David Motsamayi. Der Magistrate sagte: »Bitte, nennen Sie mir Ihren richtigen Namen, denn ich habe Anweisung erhalten, Mr. Mandela abzuholen und ihm Hilfe und Beförderung zu verschaffen. Sollten Sie nicht Mr. Mandela sein, so fürchte ich, werde ich Sie festnehmen müssen, denn Sie haben keine Genehmigung, das Land zu betreten. Sind Sie Nelson Mandela?«
Ich stand vor einem Dilemma: So oder so konnte ich verhaftet werden. »Falls Sie darauf beharren, daß ich Nelson Mandela bin und nicht David Motsamayi«, erklärte ich, »so will ich Ihnen nicht widersprechen.« Er lächelte und sagte nur: »Wir haben Sie gestern erwartet.« Dann bot er mir an, mich dorthin zu fahren, wo meine Gefährten auf mich warten würden. Wir fuhren nach Lobatse, wo ich Joe Modise traf und einen ANC-Anhänger namens Jonas Matlou, der damals dort lebte. Der Magistrate sagte mir, die südafrikanische Polizei wisse, daß ich im Begriff war, zurückzukehren, und er schlug vor, ich solle morgen aufbrechen. Ich dankte ihm für Hilfe und Rat, doch als ich Matlous Haus erreichte, erklärte ich, ich würde noch in der Nacht losfahren. Auf der Rückfahrt nach Südafrika würde mich Cecil Williams begleiten, ein weißer Theaterregisseur und Mitglied des MK. Als sein Chauffeur verkleidet, setzte ich mich hinters Lenkrad, und wir fuhren noch in derselben Nacht nach Johannesburg ab.
7. Teil
Rivonia
Nachdemich die Grenze überschritten hatte, atmete ich tief durch. Die heimatliche Luft riecht immer süßer, wenn man fort gewesen ist. Es war eine klare Winternacht, und irgendwie schienen uns sogar die Sterne hier herzlicher willkommen zu heißen als irgendwo sonst auf dem Kontinent. Obwohl ich eine Welt verließ, in der ich zum erstenmal Freiheit
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