Der lange Weg zur Freiheit
ein gefährliches System der Ungerechtigkeit aufzuzwingen. Obwohl ich den britischen Imperialismus verabscheute, hatte ich nie etwas einzuwenden gegen britischen Stil und Manieren.
Ich hatte mehrere Gründe, nach England zu reisen, ganz abgesehen von dem Wunsch, das Land kennenzulernen, über das ich soviel gelesen und gehört hatte. Ich machte mir Sorgen wegen Olivers Gesundheit und wollte ihn dazu bewegen, sich behandeln zu lassen. Und ich wünschte mir sehr, Adelaide, seine Frau, und beider Kinder zu sehen und auch Yusuf Dadoo, der jetzt dort lebte und die Kongreßbewegung vertrat. Ich wußte auch, daß ich in London Literatur über den Guerillakrieg würde bekommen können, die ich mir anderswo nicht besorgen konnte.
In London nahm ich meine alte Untergrundpraxis wieder auf, weil ich vermeiden wollte, daß man in Südafrika erfuhr, daß ich mich hier aufhielt. Die Tentakeln der südafrikanischen Sicherheitskräfte reichten bis nach London. Aber ich wurde kein Eigenbrötler; meine zehn Tage waren aufgeteilt zwischen ANC-Angelegenheiten, dem Wiedersehen mit alten Freunden und gelegentlichen Ausflügen als gewöhnlicher Tourist. Mit Mary Benson, einer britischen Freundin, die über unseren Kampf geschrieben hatte, sahen Oliver und ich die Sehenswürdigkeiten der Stadt, die einmal fast zwei Drittel des Erdballs beherrscht hatte: Westminster Abbey, Big Ben, die Houses of Parliament. Während ich die Schönheit dieser Gebäude bewunderte, war ich mir im Zweifel über das, was sie repräsentierten. Als wir in der Nähe von Westminster Abbey die Statue von General Smuts sahen, scherzten Oliver und ich, daß eines Tages vielleicht an ihrer Stelle eine von uns stehen würde.
Mir war von vielen Leuten erzählt worden, daß der Observer, die von David Astor verlegte Zeitung, in ihren Berichten dem PAC zuneigte und in ihren Kommentaren erklärte, der ANC sei die Partei der Vergangenheit. Oliver arrangierte ein Treffen zwischen mir und Astor in seinem Haus, und wir sprachen ausführlich über den ANC. Ich weiß nicht, ob ich irgendeine Wirkung bei ihm erzielte, doch zweifellos änderte sich die Berichterstattung. Er empfahl mir auch, mit einer Reihe prominenter Politiker zu sprechen, und in der Gesellschaft des Labour-Abgeordneten Dennis Healy begegnete ich Hugh Gaitskell, dem Führer der Labour Party, und Jo Grimond, dem Führer der Liberal Party.
Erst gegen Ende meines Aufenthalts sah ich Yusuf, doch es war kein glückliches Wiedersehen. Oliver und ich waren während unseren Reisen stets auf eine Schwierigkeit gestoßen: Ein afrikanischer Führer nach dem anderen hatte uns über unsere Beziehungen mit weißen und indischen Kommunisten ausgefragt und mitunter auch den Verdacht geäußert, daß sie den ANC kontrollierten. Unsere nichtrassistische Haltung wäre ein geringeres Problem gewesen ohne die ausgesprochen nationalistische, gegen die Weißen eingestellte PAC. Im übrigen Afrika konnten die meisten afrikanischen Führer die Ansichten des PAC besser verstehen als die des ANC. Oliver hatte über diese Dinge mit Yusuf gesprochen, der über Olivers Schlußfolgerungen recht unglücklich war. Denn Oliver war überzeugt, der ANC müsse ein unabhängigeres Erscheinungsbild abgeben, indem er bestimmte Aktionen allein durchführte, ohne Teilnahme der anderen Mitglieder der Allianz. Ich stimmte ihm zu.
An meinem letzten Abend in London erörterte ich mit Yusuf diese Dinge und erklärte, daß wir jetzt, am Anfang eines bewaffneten Kampfes, auf die Hilfe anderer afrikanischer Nationen, in Form von Geld, Ausbildung und sonstiger Unterstützung angewiesen seien, und daß wir deshalb ihre Ansichten stärker berücksichtigen müßten als früher. Yusuf glaubte, daß Oliver und ich die Politik des ANC ändern, daß wir dem Nicht-Rassismus absagen wollten, der den Kern der Freiheits-Charta bildete. Ich sagte ihm, daß er sich irrte; wir lehnten Nicht-Rassismus nicht ab, wir sagten nur, der ANC müsse stärker auf eigenen Füßen stehen und Erklärungen abgeben, daß wir nicht Teil der Congress Alliance waren. Häufig gaben der ANC, der South African Indian Congress und der Coloured People’s Congress eine gemeinsame Erklärung über eine nur Afrikaner betreffende Angelegenheit ab. Das würde sich ändern müssen. Yusuf war unglücklich darüber. »Was ist mit der Politik?« fragte er wiederholt. Ich sagte ihm, ich spräche nicht über Politik, sondern über das Image. Wir würden weiterhin zusammenarbeiten, nur müsse der ANC als
Weitere Kostenlose Bücher