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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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»Free Mandela« ins Leben gerufen. Im ganzen Land wurden Protestaktionen abgehalten, und der besagte Slogan erschien immer häufiger auf Hausmauern. Die Regierung antwortete mit dem Verbot aller Versammlungen, die meine Inhaftierung zum Thema hatten. Doch die Befreiungsbewegung ignorierte diese Restriktion.
    Als Vorbereitung zum Hearing am Montag hatte das Free Mandela Committee eine Massendemonstration vor dem Gerichtsgebäude organisiert. Der Plan war, beide Seiten der Straße, über die mein Polizeifahrzeug fahren würde, sollten von Menschen gesäumt sein. Aus Presseberichten, Gesprächen mit Besuchern und auch Bemerkungen der Gefängniswärter erfuhr ich, daß man mit einer großen, lautstarken Veranstaltung rechnete.
    Am Samstag, als ich mich auf das Hearing am Montag vorbereitete, erhielt ich die Anweisung, sofort meine Sachen zu packen: Das Hearing war nach Pretoria verlegt worden. Die Behörden hatten die Verlegung nicht angekündigt, und wäre es mir nicht gelungen, über einen sympathisierenden Wärter eine Nachricht nach draußen zu geben, hätte niemand wissen können, daß ich Johannesburg verlassen hatte.
    Doch die Bewegung reagierte schnell, und als am Montagmorgen mein Fall vor Gericht kam, drängten sich in der Alten Synagoge unsere Anhänger. Nach den vier Jahren des Hochverratsprozesses war die Synagoge für mich so etwas wie eine zweite Heimat. Mein Rechtsbeistand Joe Slovo konnte nicht dabeisein, da er aufgrund seiner Bannungen Johannesburg nicht verlassen durfte; statt seiner stand mir Bob Hepple zur Seite.
     
     
    Als ich an jenem Montagmorgen den Gerichtssaal betrat, trug ich statt Anzug und Krawatte das traditionelle Leopardenfell der Xhosa. Die Menge der Anhänger erhob sich wie ein Mann mit hochgereckten geballten Fäusten und schrie: »Amandla!« und »Ngawethu!« Der Fellumhang, Kaross genannt, versetzte die Zuschauer in Erregung; unter ihnen waren viele Freunde und Familienangehörige, und manche hatten den weiten Weg von der Transkei zurückgelegt. Auch Winnie trug einen traditionellen mit Perlen besetzten Kopfschmuck und einen knöchellangen Xhosa-Rock.
    Die traditionelle Bekleidung hatte ich gewählt, um die symbolische Bedeutung zu betonen, die darin lag, daß ich, ein schwarzer Afrikaner, das Gericht eines weißen Mannes betrat. Auf meinem Rücken trug ich buchstäblich die Geschichte, die Kultur und das Vermächtnis meines Volkes. An jenem Tag hatte ich das Gefühl, die Verkörperung des afrikanischen Nationalismus zu sein, Erbe der schwierigen, doch edlen Vergangenheit Afrikas und seiner ungewissen Zukunft. Der Kaross war auch ein Zeichen der Verachtung für die Spitzfindigkeiten der weißen Justiz. Ich wußte sehr wohl, daß sich die Behörden durch meinen Kaross genauso bedroht fühlten, wie viele Weiße sich bedroht fühlen durch die wahre Kultur Afrikas.
    Als sich die Menge beruhigt hatte und der Fall aufgerufen wurde, grüßte ich in aller Förmlichkeit den Ankläger, Mr. Bosch, den ich aus meiner Zeit als Anwalt kannte, und den Magistrate, Mr. Von Heerden, der mir gleichfalls bekannt war. Dann beantragte ich sofort eine zweiwöchige Vertagung mit der Begründung, ich sei nach Pretoria verlegt worden, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, meine Anwälte zu verständigen. Es wurde eine einwöchige Vertagung gewährt.
    Als ich zu meiner Zelle zurückkehrte, sagte ein ziemlich nervöser weißer Aufseher zu mir, der Commanding Officer, Colonel Jacobs, habe befohlen, ich solle den Kaross aushändigen. Ich erklärte: »Sie können ihm mitteilen, daß er ihn nicht bekommen wird.« Der Wärter, ein Mann mit schwachen Nerven, begann zu zittern. Er bettelte mich praktisch an, ihm den Umhang zu geben, andernfalls würde er entlassen werden. Er tat mir leid, und so erklärte ich ihm: »Hören Sie, sagen Sie Ihrem Officer einfach, daß Mandela zu ihm spricht, nicht Sie.« Kurz darauf erschien Colonel Jacobs persönlich und befahl mir, ihm das auszuhändigen, was er meine »Decke« nannte. Ich sagte ihm, er habe keine rechtliche Befugnis, über meine Bekleidung im Gericht zu entscheiden, und falls er es versuchen sollte, meinen Kaross zu konfiszieren, so würde ich die Angelegenheit bis vor das Oberste Gericht bringen. Der Colonel versuchte nie wieder, mir meine »Decke« zu nehmen, doch die Behörde gestattete mir nur, den Kaross im Gerichtssaal zu tragen, nicht jedoch auf dem Weg dorthin oder von dort zurück, denn sie befürchtete, das könne andere Häftlinge »aufwiegeln«.
    Als die

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