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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Winnie war nicht die einzige Ehefrau, die unter Druck gesetzt wurde. Albertina Sisulu und Caroline Motsoaledi wurden nach dem 90-Tage-Haft-Gesetz festgenommen, und auch Walters junger Sohn Max wurde verhaftet. Es war eine der barbarischsten Methoden des Staates zur Ausübung von Druck: die Frauen und Kinder von Freiheitskämpfern zu inhaftieren. Viele Männer konnten im Gefängnis alles ertragen, was die Behörden ihnen antaten, doch der Gedanke, daß der Staat mit ihren Familien genauso verfuhr, war nahezu unerträglich.
    Winnie wandte sich mit ihrem Gesuch an den Justizminister, der ihr die Genehmigung erteilte, dem Prozeß beizuwohnen, allerdings unter der Bedingung, daß sie keine traditionelle Kleidung trüge. Ironischerweise verbot dieselbe Regierung, die uns ans Herz legte, in den Homelands unsere Kultur zu pflegen, meiner Frau Winnie, im Gericht ein Xhosa-Gewand zu tragen.
     
     
    Während der folgenden drei Wochen durften wir unsere Tage zur Vorbereitung unseres Falles gemeinsam verbringen. Ich war jetzt unter meinen Mitangeklagten, und die Gesellschaft meiner Gefährten war eine Wohltat für mich. Als Häftlinge, die auf ihren Prozeß warteten, hatten wir das Recht auf zwei halbstündige Besuche in der Woche; auch durften wir einmal am Tag eine Mahlzeit von außerhalb erhalten. Dank Mrs. Pillays köstlichen Speisen hatte ich das verlorene Gewicht bald wieder zurück.
    Während wir unsere Verteidigung vorbereiteten, führte die Regierung den Prozeß in den Zeitungen weiter. Normalerweise darf ein noch anhängiger Fall weder in der Öffentlichkeit noch in der Presse kommentiert werden. Aber da die in Rivonia festgenommenen Männer 90-Tage-Häftlinge waren und, technisch gesehen, keines Verbrechens beschuldigt wurden, wurde dieser juristische Grundsatz über Bord geworfen. Vom Justizminister abwärts wurden wir öffentlich als gewalttätige Revolutionäre gebrandmarkt. Zeitungen brachten regelmäßig Schlagzeilen wie »REVOLUTION AUF MILITÄRISCHER BASIS«.
    Am 29. Oktober betraten wir wieder den Justizpalast; wieder waren viele erregte Menschen erschienen; wieder waren die Sicherheitsmaßnahmen äußerst streng; wieder hatten sich im Gericht Würdenträger aus vielen ausländischen Botschaften versammelt. Nach drei Wochen in Gesellschaft meiner Kameraden fühlte ich mich wie verjüngt, auch war mir in einem Anzug diesmal im Gerichtssaal viel wohler zumute. Unsere Anwälte hatten dagegen protestiert, daß wir in Gefängniskleidung vor Gericht erscheinen mußten, und so war uns das Recht zuerkannt worden, eigene Kleidung zu tragen. Wieder hoben wir die geballte Faust in Richtung Zuschauer und wurden von den Behörden verwarnt: Sollten wir noch einmal so grüßen, müßten wir im Gericht wieder unsere Gefängniskleidung tragen. Um solche Ausbrüche zu unterbinden, kehrten die Behörden die normale Ordnung um, nach der die Gefangenen vor dem Richter den Gerichtssaal betraten. Nach jenem ersten Tag trat der Richter als erster in den Saal, so daß die Sitzung bereits begonnen hatte, wenn wir erschienen.
    Wir gingen sofort zum Angriff über. Bram Fischer kritisierte die Anklageschrift des Staates als schludrig, schlecht abgefaßt und Absurditäten enthaltend wie die Behauptung, ich hätte an Tagen, an denen ich mich im Pretoria Local befand, an Sabotageakten teilgenommen. Yutar war fassungslos. Richter de Wet bedeutete ihm mit einem Blick, auf Brams Kritik zu antworten, doch statt Einzelheiten zu nennen, begann er, wie der Richter spottete, »eine politische Rede« zu halten. De Wet war ungehalten über Yutars Gestammel und sagte ihm das auch. »Die ganze Basis Ihres Arguments, wie ich es verstehe, Mr. Yutar, besteht darin, daß Sie zufrieden sind, daß die Angeklagten schuldig sind.« De Wet wies die Anklage sodann ab, und die Schläge seines Hammers verkündeten das Ende der Sitzung.
    Für den Augenblick waren wir technisch frei, und im Gerichtssaal herrschte wilder Aufruhr. Aber noch bevor Richter de Wet seinen Platz verlassen hatte, waren wir schon wieder festgenommen. Lieutenant Swanepoel schlug jedem von uns auf die Schulter und erklärte: »Ich verhafte Sie unter Anklage der Sabotage«, und wir wurden in unsere Zellen zurückgeführt. Trotzdem war dies für die Regierung ein Rückschlag, denn es war eine neue Klageschrift aufzusetzen für den Prozeß, der nach ihren Worten eigentlich alle Prozesse hätte beenden sollen.
    Der Staat schrieb die Anklageschrift um, und Anfang Dezember standen wir wieder vor

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