Der lange Weg zur Freiheit
Goldreich-Familie, welche die ganze Zeit in Haft gehalten worden waren, obwohl sie mit der Politik des Hauses in keinerlei Verbindung standen. Diese Bediensteten identifizierten die meisten von uns, indem sie auf uns deuteten, doch der alte Mr. Jelliman unternahm einen mutigen Versuch, mir zu helfen, und tat so, als sehe er mich nicht, als er aufgefordert wurde, auf den Angeklagten Nr. 1 zu deuten. »Schauen Sie noch einmal hin«, forderte der Ankläger ihn auf, »sehen Sie sich sorgfältig alle Gesichter an.«
»Ich glaube nicht, daß er hier ist«, sagte Jelliman ruhig.
Wir fragten uns, über welche Beweise der Staatsanwalt verfügte, um meine Schuld zu belegen. Als in Rivonia ein großer Teil der Planung vorangetrieben wurde, war ich entweder außer Landes oder im Gefängnis gewesen. Als ich kurz nach meiner Verurteilung Walter im Pretoria Local sah, forderte ich ihn dringend auf, sich zu vergewissern, daß all meine Bücher und Notizen aus der Farm entfernt wurden. Doch als Rusty Bernstein während der ersten Prozeßwoche Kaution beantragte, zückte Percy Yutar dramatisch die Skizze des Forts und die dazugehörige Notiz über die Flucht, die ich niedergeschrieben hatte, als ich dort einsaß. Yutar rief aus, dies sei der Beweis dafür, daß alle Angeklagten hätten ausbrechen wollen. Jedenfalls war es ein Zeichen, daß man meine Sachen nicht aus Rivonia entfernt hatte. Später wurde mir berichtet, daß meine Gefährten in Rivonia beschlossen hatten, meine Fluchtnotiz aufzubewahren, denn sie würde in Zukunft historischen Wert besitzen. Aber in der Gegenwart kostete sie Rusty Bernstein seine Kaution.
Der Starzeuge der Staatsanwaltschaft war Bruno Mtolo oder »Mr. X«, wie er im Gericht genannt wurde. Bei der Vorstellung von »Mr. X« teilte Yutar dem Gericht mit, die Befragung werde drei Tage in Anspruch nehmen, und in theatralischem Ton fügte er hinzu, der Zeuge sei »in tödlicher Gefahr«. Yutar beantragte die Befragung des Zeugen unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Presse könne zugegen sein, unter der Bedingung, daß sie den Zeugen nicht identifizierte.
Mtolo war ein hochgewachsener, gutgebauter Mann mit einem hervorragenden Gedächtnis. Zulu aus Durban, war er der Führer der Natal-Region des MK geworden. Er war ein erfahrener Saboteur, der auch in Rivonia gewesen war. Ich war ihm nur einmal begegnet, als ich nach Rückkehr von meiner ausgedehnten Afrikareise in Natal zu seiner Gruppe von MK-Kadern gesprochen hatte. Sein Beweismaterial speziell gegen mich machte mir bewußt, daß der Staat mich zweifellos würde verurteilen können.
Mr. X begann mit der Aussage, er sei MK-Saboteur, der ein städtisches Büro, einen Starkstrommast und eine Stromleitung in die Luft gesprengt hatte. Mit eindrucksvoller Präzision erklärte er die Wirkungsweise von Bomben, Landminen und Granaten und erläuterte, wie der MK aus dem Untergrund arbeitete. Mtolo erklärte, während er nie den Glauben an die Ideale des ANC verloren habe, sei ihm doch der Glaube an die Organisation verlorengegangen, als er erkannt habe, daß ANC und MK Instrumente der Kommunistischen Partei seien.
Seine Aussagen wirkten ebenso einfach wie freimütig, doch Mtolo gab sich große Mühe, sie auszuschmücken. Dies geschah zweifellos auf Anweisung der Polizei. Er erzählte dem Gericht, in meiner an das Regional Command von Natal gerichteten Rede hätte ich festgestellt, alle MK-Kader sollten gute Kommunisten sein, ohne ihre Überzeugungen öffentlich preiszugeben. In Wahrheit hatte ich dergleichen niemals gesagt, doch diese Aussage sollte mich und den MK in Verbindung mit der Kommunistischen Partei bringen. Seine Erinnerungen wirkten so präzise, daß ein normaler Mensch annehmen mußte, sie seien in allen Fällen genau. Aber dem war nicht so.
Mtolos Verrat bestürzte mich. Ich hatte nie die Möglichkeit ausgeschlossen, daß selbst erfahrene ANC-Mitglieder unter Polizeifolter zusammenbrechen könnten. Doch allem Anschein nach war Mtolo nicht angerührt worden. Im Zeugenstand suchte er auch Menschen in den Fall hineinzuziehen, die in den Unterlagen nicht einmal erwähnt worden waren. Ich weiß, daß es möglich ist, einen Sinneswandel durchzumachen, doch so viele andere zu verraten, von denen viele völlig unschuldig waren, erschien mir unentschuldbar.
Während des Kreuzverhörs erfuhren wir, daß Mtolo ein kleiner Ganove gewesen war, bevor er sich dem MK anschloß, und daß er dreimal zuvor wegen Diebstahls im Gefängnis gesessen hatte. Aber
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