Der lange Weg zur Freiheit
trotz dieser Enthüllungen war er ein Zeuge, der uns schwer schadete, denn der Richter befand ihn zuverlässig und glaubwürdig, und seine Aussage belastete nahezu uns alle.
Hauptstütze der Anklage des Staatsanwalts war der sechsseitige Aktionsplan, der bei der Rivonia-Razzia beschlagnahmt worden war. Die Führer des Oberkommandos hatten ausgerechnet dieses Dokument vor sich auf dem Tisch liegen gehabt, als die Polizei die Farm erstürmte. Operation Mayibuye skizziert in allgemeiner Form den Plan für den möglichen Beginn von Guerillaoperationen und wie sie der auslösende Funke für einen bewaffneten Massenaufstand gegen die Regierung werden könnten. Das Dokument sah eine anfängliche Landung kleinerer Guerillastreitkräfte in vier verschiedenen Gebieten Südafrikas und einen Angriff auf ausgewählte Ziele vor. Es nannte die anzustrebende Zahl von 7000 MK-Rekruten im Lande, die sich vereinen werden mit der anfänglich äußeren Streitmacht von 120 ausgebildeten Guerillakämpfern.
Der Vortrag der Anklagevertretung stützte sich zum großen Teil auf ihre Überzeugung, Operation Mayibuye sei von der ANC-Exekutive gebilligt worden und sei zum Operationsplan des MK geworden. Wir bestanden darauf, daß zum Zeitpunkt der Verhaftungen die Operation Mayibuye noch nicht formal gebilligt war, sondern noch diskutiert wurde. Was mich betraf, so war die Operation Mayibuye ein Entwurf, der nicht nur nicht gebilligt worden, sondern in seinen Zielsetzungen und Planungen auch völlig unrealistisch war. Ich glaubte nicht, daß in der damaligen Phase der Guerillakrieg eine brauchbare Option war.
Der Plan war während meiner Abwesenheit entworfen worden, so daß ich sehr wenig darüber wußte. Selbst unter den in Rivonia Verhafteten herrschte keine Übereinstimmung darüber, ob der Plan als ANC-Politik angenommen worden war. Govan, der zusammen mit Joe Slovo das Dokument aufgesetzt hatte, behauptete, man habe sich darauf geeinigt, und meinte, es sei nicht richtig, wenn wir vor Gericht argumentierten, der Plan sei noch in der Diskussion gewesen. Doch alle anderen Angeklagten behaupteten, das Dokument sei zwar vom Oberkommando aufgesetzt, aber noch nicht von der ANC-Exekutive gebilligt worden, geschweige denn, daß Häuptling Luthuli oder Oliver Tambo es gesehen hätten.
Wenn auch ein solcher Prozeß quälend sein kann, unsere Stimmung war im allgemeinen doch heiter. Ein gut Teil Galgenhumor war dabei. Dennis Goldberg, der jüngste Angeklagte, besaß einen kaum zu unterdrückenden Sinn für Humor und brachte uns oft zum Lachen, auch wenn es völlig unangebracht schien. Als einer der Zeugen der Anklage beschrieb, wie Raymond Mhlaba zur Tarnung einen Priesterkragen getragen hatte, bezeichnete Dennis ihn fortan als Reverend Mhlaba.
In unserem Beratungszimmer unten im Gebäude kommunizierten wir oft mit Hilfe von Zetteln, die wir anschließend verbrannten und in den Abfallkorb warfen. Einer der Officer der Special Branch, die uns beaufsichtigten, war Lieutenant Swanepoel, ein untersetzter, rotgesichtiger Bursche, der davon überzeugt war, daß wir ihn immer reinzulegen versuchten. Eines Tages, Swanepoel beobachtete uns von der Tür her, begann Govan Mbeki in auffälliger Geheimnistuerei einen Zettel zu schreiben, den er mir anschließend mit entsprechenden Gesten reichte. Ich las den Zettel, nickte bedächtig mit dem Kopf und reichte das Stück Papier dann Kathy, der ostentativ seine Streichhölzer hervorholte, wie um den Zettel zu verbrennen. Doch da stürzte Swanepoel in den Raum, riß Kathy den Zettel aus der Hand und stotterte etwas über die Gefahren, in einem Zimmer Streichhölzer anzuzünden. Dann ging er hinaus, um zu lesen, was auf seinem Beutestück stand. Wenige Sekunden später stürmte er wieder herein und sagte: »Das zahle ich euch heim!« Govan hatte in Blockschrift geschrieben: »Ist Swanepoel nicht ein hübsches Kerlchen ?«
Wir saßen im Gefängnis, angeklagt in einem Prozeß, bei dem es um unser Leben ging, doch draußen erblühte neues Leben. Jimmy Kantors Frau erwartete in Kürze ein Kind. Jimmy war Anwalt, den der Staat nur deshalb in den Prozeß hineingezogen hatte, weil er Harold Wolpes Schwager war.
Eines Morgens, als wir auf den Anklagebänken saßen, wanderte vom anderen Ende ein Zettel zu mir.
»Barbara und ich haben ausführlich über Paten gesprochen, und wir sind zu dem Schluß gekommen, daß, ob es nun ein Mädchen wird oder ein Junge, wir es als eine Ehre betrachten würden,
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