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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Beseitigung dieser Ungleichheit verhindere.
    »Der Mangel an menschlicher Würde, wie Afrikaner ihn erleben, ist unmittelbares Ergebnis der Politik der weißen Vorherrschaft. Weiße Vorherrschaft impliziert schwarze Minderwertigkeit. Die Gesetzgebung zielt auf Erhaltung der Vorherrschaft unter diesem Vorzeichen ab. Niedere Dienste werden in diesem Land ausschließlich von Schwarzen verrichtet. Ist irgend etwas zu tragen oder zu säubern, so hält der Weiße Ausschau nach einem Afrikaner, der das für ihn erledigen kann, ganz gleich, ob der Afrikaner bei ihm angestellt ist oder nicht.
    Armut und der Zusammenbruch von Familien haben sekundäre Auswirkungen. Kinder wandern durch die Straßen der Townships, weil sie keine Schulen haben, in die sie gehen könnten, oder kein Geld, um den Schulbesuch zu ermöglichen, oder keine Eltern, die dafür sorgen, daß sie zur Schule gehen, weil beide Eltern (falls beide da sind) zur Arbeit gehen müssen, um für die Familie den Lebensunterhalt zu verdienen. Dies führt zum Zusammenbruch moralischer Normen, zu einem alarmierenden Anstieg der Ungesetzlichkeit und zum Anwachsen von Gewalt, die überall ausbricht, nicht nur im politischen Raum.
    Afrikaner wollen nur einen Teil der Gesamtheit von Südafrika; sie wollen Sicherheit und Teilhabe an der Gesellschaft. Vor allem wollen wir gleiche politische Rechte, denn ohne sie werden sich unsere Benachteiligungen in diesem Land verfestigen. Ich weiß, dies klingt revolutionär für die Weißen in diesem Land, weil die Mehrheit der Wahlberechtigten Afrikaner sein werden. Die läßt den weißen Mann die Demokratie fürchten.
    Dafür kämpft der ANC. Sein Kampf ist ein wahrhaft nationaler Kampf. Es ist ein Kampf für die Afrikaner, angeregt durch ihre eigenen Leiden und Erfahrungen. Es ist ein Kampf für das Recht auf Leben.«
    Als ich meine Rede verlesen hatte, legte ich mein Manuskript auf den Tisch der Verteidigung und blickte zum Richter. Im Gerichtssaal wurde es ganz still. Ich wandte meinen Blick nicht ab von Richter de Wet, während ich die Schlußworte aus dem Gedächtnis sprach.
     
    »Mein Leben lang habe ich mich diesem Kampf des afrikanischen Volkes gewidmet. Ich habe gegen weiße Vorherrschaft gekämpft, und ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich habe das Ideal der Demokratie und der freien Gesellschaft hochgehalten, in der alle Menschen in Harmonie und mit gleichen Möglichkeiten zusammenleben. Es ist ein Ideal, für das ich zu leben und das ich zu erreichen hoffe. Doch wenn es sein soll, so bin ich für dies Ideal auch zu sterben bereit.«
     
    Im Gerichtssaal war es jetzt totenstill. Am Ende meiner Ansprache nahm ich einfach Platz. Ich drehte mich nicht um und blickte nicht zur Zuschauergalerie, obwohl ich aller Augen auf mich gerichtet fühlte. Die Stille schien viele Minuten lang zu dauern. Doch in Wirklichkeit waren es vielleicht nicht mehr als 30 Sekunden; und dann hörte ich von der Galerie etwas, einen großen Seufzer, ein tiefes, kollektives »Ummmm«, gefolgt von den Schreien von Frauen.
    Ich hatte über vier Stunden lang vorgetragen. Es war kurz nach vier Uhr nachmittags, die Zeit, da sich das Gericht normalerweise vertagte. Doch Richter de Wet rief, sobald im Gerichtssaal wieder Ordnung herrschte, den nächsten Zeugen auf. Er war entschlossen, die Wirkung meiner Erklärung abzuschwächen. Er wollte dies nicht die letzte und einzige Aussage des Tages sein lassen. Dennoch konnte nichts ihre Wirkung abschwächen. Als ich meine Rede beendet und mich hingesetzt hatte, war es das letzte Mal, daß Richter de Wet mir in die Augen blickte.
    Die Rede fand große Publizität sowohl in der lokalen wie in der ausländischen Presse, und sie wurde praktisch Wort für Wort in der Rand Daily Mail abgedruckt, und dies trotz der Tatsache, daß all meine Worte gebannt waren. Die Rede verdeutlichte auf der einen Seite unsere Verteidigungslinie, auf der anderen entwaffnete sie die Anklagevertretung, die ihren ganzen Fall auf die Erwartung gegründet hatte, ich würde in meiner Aussage die Verantwortung für Sabotageakte bestreiten. Nun war klar, daß wir uns nicht juristischer Feinheiten bedienen würden, um die Verantwortung abzulehnen für Aktionen, die wir mit Stolz und Vorbedacht durchgeführt hatten.
     
     
    Der Angeklagte Nummer zwei, Walter Sisulu, war als nächster an der Reihe. Walter mußte die ganze Wucht des Kreuzverhörs über sich ergehen lassen, das Yutar für mich vorbereitet hatte. Walter widerstand einer

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