Der lange Weg zur Freiheit
Nationalismus, für den der ANC steht, ist das Konzept von Freiheit und Erfüllung für das afrikanische Volk in seinem eigenen Land. Das wichtigste politische Dokument, das der ANC jemals angenommen hat, ist die Freiheits-Charta. Sie ist auf gar keinen Fall ein Entwurf für einen sozialistischen Staat. Der ANC hat niemals, zu keinem Zeitpunkt seiner Geschichte, eine revolutionäre Veränderung der ökonomischen Struktur des Landes befürwortet, noch hat er, nach allem, was ich weiß, jemals die kapitalistische Gesellschaft verdammt.
Der ANC ließ, im Unterschied zur Kommunistischen Partei, nur Afrikaner als Mitglieder zu. Sein Hauptziel war und ist, für Afrikaner die Einheit und volle politische Rechte zu erreichen.
Das Hauptziel der Kommunistischen Partei war im Unterschied dazu, die Kapitalisten zu vertreiben und sie durch eine Regierung der Arbeiterklasse zu ersetzen. Die Kommunistische Partei sucht die Klassenunterschiede zu betonen, während der ANC sie auszugleichen sucht.
Es stimmt, daß ANC und Kommunistische Partei häufig eng kooperiert haben. Aber Kooperation ist nur Beweis für ein gemeinsames Ziel, in diesem Fall die Beseitigung der weißen Vorherrschaft, und nicht Beweis für vollständige Gemeinsamkeit von Interessen. Die Geschichte der Welt ist voll von solchen Beispielen. Das vielleicht auffälligste Beispiel ist die Kooperation zwischen Großbritannien, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion im Kampf gegen Hitler-Deutschland. Niemand außer Hitler hätte es gewagt zu behaupten, eine solche Kooperation mache aus Churchill oder Roosevelt Kommunisten oder kommunistische Werkzeuge, oder Großbritannien und Amerika strebten eine kommunistische Welt an.
Es ist wahrscheinlich schwierig zu verstehen für weiße Südafrikaner mit eingefleischtem Vorurteil gegen Kommunismus, daß erfahrene afrikanische Politiker so bereitwillig Kommunisten als ihre Freunde akzeptierten. Doch für uns liegt der Grund dafür auf der Hand. Theoretische Differenzen zwischen jenen, die gegen Unterdrückung kämpfen, ist ein Luxus, den wir uns in dieser Phase nicht leisten können. Außerdem sind über viele Jahrzehnte hinweg Kommunisten die einzige politische Gruppe in Südafrika gewesen, die bereit war, Afrikaner als Menschen und Ebenbürtige zu behandeln; sie waren bereit, mit uns zu essen, mit uns zu sprechen, mit uns zu leben und zu arbeiten. Deshalb neigen heutzutage viele Afrikaner dazu, Freiheit mit Kommunismus gleichzusetzen.«
Ich erklärte dem Gericht, ich sei niemals ein Kommunist gewesen und hätte mich immer als afrikanischen Patrioten verstanden. Ich bestritt nicht, daß ich die Idee einer klassenlosen Gesellschaft anziehend fand und daß ich durch marxistisches Denken beeinflußt worden bin. Dies galt für viele Führer der neuen unabhängigen Staaten Afrikas, welche die Notwendigkeit irgendeiner Art von Sozialismus akzeptierten, um ihr Volk in die Lage zu versetzen, mit den entwickelten Ländern des Westens gleichzuziehen.
»Durch meine Lektüre der marxistischen Literatur und aus meinen Gesprächen mit Marxisten habe ich den Eindruck gewonnen, daß Kommunisten das parlamentarische System des Westens als undemokratisch und reaktionär ansehen. Im Gegensatz dazu bin ich ein Bewunderer dieses Systems.
Magna Charta, Petition of Rights und Bill of Rights sind Dokumente, die überall auf der Welt von Demokraten in Ehren gehalten werden. Ich habe großen Respekt vor den politischen Institutionen Englands und vor dem Rechtssystem des Landes. Ich halte das britische Parlament für die demokratischste Institution der Welt. Die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit seiner Rechtsprechung erregten immer wieder meine Bewunderung. Der amerikanische Kongreß, die Doktrin des Landes bezüglich der Gewaltenteilung sowie die Unabhängigkeit seiner Rechtsprechung lösen bei mir ähnliche Gefühle aus.«
Ich sprach im einzelnen über die furchtbaren Ungleichheiten zwischen schwarzem und weißem Leben in Südafrika. Ob Erziehung, Gesundheit, Löhne, in jeder Hinsicht erreichten die Schwarzen kaum das Existenzminimum, während die Weißen den höchsten Lebensstandard auf der Welt genössen und es dabei auch bewenden lassen wollten. Weiße behaupteten oft, es gehe Afrikanern in Südafrika besser als Afrikanern im restlichen Afrika. Meine Antwort lautete, wir seien nicht arm im Vergleich zu den Menschen in Restafrika, doch arm im Vergleich zu den Weißen in unserem Land, und daß die Gesetzgebung die
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