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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Insgesamt waren es ungefähr 30 Zellen. Die Gesamtzahl der Gefangenen in den Einzelzellen betrug für gewöhnlich 24. Jede Zelle hatte ein kleines, mit Gitterstäben versehenes Fenster. Sie hatte zwei Türen: ein Metalltor oder -gitter auf der Innenseite und eine dicke Holztür außerhalb der Zelle. Tagsüber war nur das Gitter abgeschlossen; nachts auch die Holztür.
    Die Zellen waren in aller Eile gebaut worden, die Wände waren ständig feucht. Als ich dies dem Commanding Officer mitteilte, meinte er, unsere Körper würden die Feuchtigkeit absorbieren. Jeder von uns erhielt drei Schlafdecken, die so abgewetzt waren, daß sie praktisch durchsichtig waren. Unsere Bettunterlage bestand aus einer einzigen Sisal- oder Strohmatte. Später erhielten wir noch eine Filzmatte, die wir auf die Sisalmatte legten, um es etwas weicher zu haben. In jener Jahreszeit waren die Zellen so kalt und boten die Decken so wenig Wärme, daß wir stets voll angekleidet schliefen.
    Mir wurde die Zelle am Ende des Ganges zugeteilt. Sie ging auf den Hof hinaus und hatte in Augenhöhe ein kleines Fenster. Mit drei Schritten konnte ich meine Zelle der Länge nach durchmessen. Wenn ich mich hinlegte, konnte ich mit den Füßen die Mauer fühlen, und mein Kopf streifte die Betonwand auf der anderen Seite. Die Breite betrug etwas mehr als anderthalb Meter, und die Mauern waren sicher über einen halben Meter dick. Jede Zelle war draußen mit einer weißen Karte markiert, auf der unser Name und die jeweilige Häftlingsnummer stand. Auf meiner war zu lesen: »N Mandela 466/64«; das bedeutet, daß ich als 466. Gefangener im Jahr 1964 auf die Insel gekommen war. Ich war 46 Jahre alt, ein zu lebenslänglicher Haft verurteilter politischer Gefangener; und dieser kleine, enge Raum sollte mein Heim sein – für wie lange, wußte ich nicht.
    Sofort verlegte man eine Anzahl von Gefangenen zu uns, die zuvor im allgemeinen Teil des Gefängnisses untergebracht waren, einem gedrungenen Ziegelgebäude nicht weit von Sektion oder Abschnitt B. Das allgemeine Gefängnis, Abschnitte F und G genannt, war die Unterkunft von ungefähr 1000 zumeist gewöhnlichen Gefangenen. Immerhin waren sie zu etwa einem Viertel politische Gefangene, und eine Handvoll dieser Männer wurde zu uns in Abschnitt B gelegt. Wir wurden von den gewöhnlichen Gefangenen aus zwei Gründen isoliert: Man hielt uns aus Sicherheitsgründen für gefährlich, aber für noch gefährlicher aus politischen Gründen. Die Behörden waren besorgt, wir könnten die anderen Gefangenen mit unseren politischen Überzeugungen »infizieren «.
    Unter den Männern, die man zu uns legte, befand sich George Peake, einer der Gründer der South African Coloured People’s Organization, Mitangeklagter im Hochverratsprozeß und seit kurzem Mitglied des Stadtrats von Kapstadt. Er war verurteilt worden, weil er vor einem Gefängnis von Kapstadt Sprengkörper angebracht hatte. Dennis Brutus, ein anderer farbiger Aktivist, Dichter und Schriftsteller aus Port Elizabeth, saß im Gefängnis, weil er gegen Bannungsvorschriften verstoßen hatte. Zu uns kam noch Billy Nair, langjähriges Mitglied des Natal Indian Congress, der als Mitglied von Umkhonto We Sizwe wegen Sabotage einsaß.
    Innerhalb weniger Tage bekamen wir weitere Gesellschaft, darunter Neville Alexander, prominenter farbiger Intellektueller und Mitglied des Non-European Unity Movement, der in Kapstadt eine winzige radikale Untergruppe mit dem Namen Yu Chi Chan Club gebildet und den Guerillakrieg studiert hatte. Neville hatte einen akademischen Grad der University of Cape Town und einen Doktortitel in deutscher Literaturwissenschaft von der Universität Tübingen in Deutschland. Außer Neville waren da noch Fikile Bam, der an der University of Cape Town Student der Rechte gewesen und ebenfalls Mitglied des Yu Chi i’ M Chan Clubs war; und Zephania Mothopeng, Mitglied der PAC-Nationalexekutive. Zeph war Lehrer in Orlando gewesen, war entschiedener Gegner der Bantu-Bildung, überdies einer der nüchternsten Köpfe unter den PAC-Führerh. Zu unseren Mitgefangenen gehörten auch drei ältere Bauern aus der Transkei, die verurteilt worden waren, weil sie ein Attentat auf K. D. Mantanzima, damals Chefminister der »selbstregierten« Transkei, geplant haben sollten.
    Diese Männer gehörten zu unserer Kerngruppe von etwa 20 Gefangenen. Einige kannte ich, von anderen hatte ich gehört, wieder andere kannte ich überhaupt nicht. Im Gefängnis zählt es normalerweise zu

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