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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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auf der anderen Seite weggeschnitten. Man schien es zu genießen, Briefe in Fetzen abzuliefern. Die Zensur verzögerte die Ablieferung der Post, weil die Aufseher, von denen manche nicht genug Englisch beherrschten, mitunter für das Zensieren eines Briefes einen ganzen Monat brauchten. Auch die Briefe, die wir schrieben, wurden zensiert; oft waren sie genauso zerschnitten wie die Briefe, die wir empfingen.
     
     
    Ende August, nach noch nicht ganz drei Monaten auf der Insel, erhielt ich von den Behörden die Mitteilung, daß ich am folgenden Tag einen Besucher empfangen könne. Um wen es sich handelte, sagte man nicht. Auch Walter teilte man mit, er werde Besuch bekommen; und ich vermutete, hoffte, wünschte, glaubte, daß uns Winnie und Albertina besuchen würden.
    Von dem Augenblick an, wo Winnie erfahren hatte, daß wir zur Insel gebracht worden waren, hatte sie versucht, einen Besuch zu arrangieren. Als Gebannte brauchte sie eine Ausnahmegenehmigung vom Justizminister, denn ihr war nicht gestattet, mit mir zu kommunizieren.
    Aber selbst mit Hilfe der Behörden war ein Besuch auf Robben Island kein leichtes Vorhaben. Besuche durften höchstens eine halbe Stunde dauern, und politischen Gefangenen waren keine Kontaktbesuche gestattet, wobei sich der Besucher und der Gefangene im selben Zimmer befanden.
    Besuche schienen von den Behörden nicht im voraus geplant zu werden. Es kam vor, daß sie eines Tages mit der Ehefrau eines Gefangenen Kontakt aufnehmen: »Sie haben die Genehmigung, morgen Ihren Mann zu besuchen.« Das war äußerst ungünstig und führte häufig dazu, daß Besuche nicht möglich waren. Plante ein Familienangehöriger einen Besuch im voraus, so verzögerten die Behörden die Erteilung der Genehmigung manchmal absichtlich so lange, bis das Flugzeug bereits abgeflogen war. Da die Familien der meisten Männer weit entfernt vom Kap lebten und nur wenig Geld hatten, überstiegen die Besuche von Familienangehörigen häufig weit die finanziellen Mittel. Manche Männer aus armen Familien sahen ihre Frauen oft jahrelang nicht, wenn überhaupt. Ich kannte Männer auf Robben Island, die ein Jahrzehnt oder mehr auf der Insel verbrachten, ohne jemals besucht worden zu sein.
    Das Besuchszimmer für Nichtkontaktbesuche war eng und fensterlos. Auf der Seite der Gefangenen gab es eine Reihe von fünf zellenartigen Gebilden mit kleinen quadratischen Glasfenstern, die den Blick zu identischen Zellengebilden auf der anderen Seite freigaben. Man saß auf einem Stuhl und sah durch das dicke, verdreckte Glas, durch das kleine Löcher gebohrt waren, damit ein Gespräch überhaupt möglich war. Man mußte laut sprechen, um verstanden zu werden. Später installierten die Behörden Mikrophone und Lautsprecher vor das Glas, eine marginale Verbesserung.
    Am späten Vormittag wurden Walter und ich zum Besuchsraum gerufen und setzten uns auf Plätze am anderen Zimmerende. Ich wartete mit einiger Spannung, und plötzlich war hinter dem Glas auf der anderen Seite des Fensters Winnies liebliches Gesicht zu sehen. Winnie war bei Gefängnisbesuchen immer besonders gut gekleidet und versuchte stets, etwas Neues und Elegantes zu tragen. Es war ungeheuer frustrierend, meine Frau nicht berühren, nicht zärtlich mit ihr zu sprechen, keinen persönlichen Augenblick gemeinsam haben zu können. Unsere Beziehung hatten wir aus der Distanz zu pflegen, unter den Augen von Menschen, die wir verachteten.
    Ich konnte sofort sehen, daß Winnie unter ungeheurem Streß stand. Mich unter solchen Umständen zu sehen, muß für sie sehr belastend gewesen sein. Nur zur Insel zu gelangen war schwierig, dazu kamen die ehernen Gefängnisrituale, zweifellos auch die Frechheiten der Wärter und die Unpersönlichkeit des Kontakts.
    Später erfuhr ich, daß Winnie einen zweiten Bannungsbefehl bekommen und deshalb ihre Arbeit im Child Welfare Office verloren hatte. Kurz bevor man sie entließ, durchsuchte man ihr Büro. Die Behörden waren davon überzeugt, daß Winnie mit mir in geheimem Kontakt stand. Winnie liebte ihre Arbeit als Sozialarbeiterin. Es waren Mühen ohne Ende: Kinder bei Adoptiveltern unterbringen, Arbeit für Arbeitslose finden und medizinische Hilfe für Nichtversicherte. Die Bannung meiner Frau, die Schikanen gegen sie bekümmerten mich sehr: Ich konnte nicht für sie und die Kinder sorgen, und der Staat erschwerte es ihr noch, für sich selbst zu sorgen. Meine Ohnmacht machte mir sehr zu schaffen.
    Unser Gespräch war zuerst sehr

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