Der lange Weg zur Freiheit
Winnie hatte die beiden Mädchen in eine Schule für Inder gegeben, und die Behörden rügten den Direktor, weil es ein Gesetzesverstoß sei, wenn die Schule »afrikanische« Kinder aufnahm. Wir beschlossen schweren Herzens, Zeni und Zindzi auf ein Internat in Swaziland zu geben. Ich tröstete mich mit der Tatsache, daß die Ausbildung dort wahrscheinlich besser wäre, doch ich machte mir Sorgen wegen Winnie. Sie wäre allein und das Opfer von Leuten, die sie unter dem Vorwand, ihre Freunde zu sein, zugrunde zu richten suchten. Es war nicht zu leugnen, daß Winnie hinsichtlich der Beweggründe von Menschen zu vertrauensselig war.
Um die Einschränkungen zu umgehen, denen die Gespräche über nichtfamiliäre Themen unterlagen, benutzten wir Namen, deren Bedeutung für uns klar war, nicht jedoch für die Aufseher. Wenn ich wissen wollte, wie es Winnie wirklich ging, sagte ich etwa: »Hast du in der letzten Zeit mal von Ngutyana gehört? Geht es ihr gut?« Ngutyana ist einer der Clan-Namen Winnies, doch das wußten die Behörden nicht. Winnie konnte dann im einzelnen erzählen, wie es Ngutyana ging und was sie tat. Wenn der Aufseher fragte, wer Ngutyana sei, erklärten wir, das sei eine Cousine. Wenn ich wissen wollte, wie es der Auslandsmission des ANC erging, fragte ich: »Wie geht es der Kirche?« Winnie erörterte dann »die Kirche« in entsprechenden Worten, und ich fragte dann weiter: »Wie geht es den Priestern? Gibt es irgendwelche neuen Predigten?« Auf diese Weise improvisierten und arrangierten wir den Austausch einer großen Menge an Informationen.
Wie immer, wenn der Aufseher brüllte: »Die Zeit ist um«, hatte ich das Gefühl, es seien erst einige wenige Minuten verstrichen. Ich wollte auf das Trennglas einen Kuß drücken zum Abschied, doch ich hielt mich zurück. Ich wollte immer, daß Winnie zuerst ging, damit sie nicht sehen konnte, wie ich von dem Aufseher wieder abgeführt wurde, und ich sah, wie sie leise auf Wiedersehen flüsterte und ihren Schmerz vor den Aufsehern verbarg.
Nach dem Besuch vergegenwärtigte ich mir in der Vorstellung noch einmal alle Einzelheiten, was Winnie getragen, was sie gesagt, was ich gesagt hatte. Dann schrieb ich ihr einen Brief, in dem ich einiges, was wir besprochen hatten, aufgriff und sie daran erinnerte, wie sehr ich mich um sie sorgte, wie unverbrüchlich unsre Beziehung war, wie mutig sie war. Meine Briefe an sie betrachtete ich sowohl als Liebesbriefe wie auch als einzige Möglichkeit, ihr die gefühlsmäßige Stütze zu geben, auf die sie angewiesen war.
Bald nach ihrem Besuch erfuhr ich, daß Winnie angeklagt worden war, weil sie es versäumt hatte, die Polizei über ihre Ankunft in Kapstadt zu unterrichten, und weil sie sich geweigert hatte, der Polizei ihre Anschrift mitzuteilen, nachdem sie abgereist war. Sie hatte ihre Anschrift bereits auf der Fähre mitgeteilt und wurde auf der Rückfahrt erneut danach gefragt; sie verweigerte die Antwort mit dem Hinweis, sie habe ihre Anschrift bereits bekanntgegeben.
Winnie wurde festgenommen und auf Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie wurde unter Anklage gestellt und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; die Strafe wurde ihr bis auf vier Tage erlassen. Anschließend verlor Winnie aufgrund des Vorfalls ihren zweiten Arbeitsplatz als Sozialarbeiterin und damit ihre Haupteinnahmequelle.
Die staatlichen Behörden unternahmen alles, um mich zu peinigen, und dies auf eine Weise, von der sie annahmen, daß ich mich nicht wehren könnte. Gegen Ende des Jahres 1966 unternahm die Law Society (Anwaltsverein) von Transvaal auf Veranlassung des Justizministers den Versuch, mich aufgrund meiner Verurteilung im Rivonia-Prozeß von der Liste der praktizierenden Anwälte streichen zu lassen. Offensichtlich ließ man sich nicht entmutigen durch den früheren erfolglosen Versuch, meinen Namen aufgrund meiner Verurteilung im Falle der Mißachtungskampagne von der Liste streichen zu lassen.
Ich erfuhr von der Aktion der Law Society erst, nachdem sie bereits angelaufen war. Die Law Society von Transvaal war eine extrem konservative Organisation, und sie suchte mich zu einem Zeitpunkt zu treffen, als sie vermutete, ich würde keine Möglichkeit haben, mich zu wehren. Für einen Gefangenen auf Robben Island ist es nicht leicht, sich vor Gericht zu verteidigen, aber genau das war beabsichtigt.
Ich informierte die Behörden, daß ich gedächte, gegen die Aktion vorzugehen, und daß ich selbst meine Verteidigung vorbereiten wolle.
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