Der lange Weg zur Freiheit
Ich teilte den Gefängnisbeamten mit, daß ich zur angemessenen Vorbereitung von der Arbeit im Steinbruch freigestellt werden müsse und daß ich zur Abfassung meines Schriftsatzes einen richtigen Tisch, einen Stuhl und eine Leselampe benötigte. Auch müsse ich eine Rechtsbibliothek aufsuchen und verlange, nach Pretoria gebracht zu werden.
Meine Strategie war, die Gefängnisbehörden und die Gerichte mit legitimen Forderungen einzudecken, die sie meines Wissens nur schwer zu erfüllen in der Lage waren. Die Behörden empfanden es stets als peinlich, wenn ich mich vor Gericht selbst verteidigen wollte, denn die damit einhergehende Publizität würde zeigen, daß ich nach wie vor für dieselben Rechte wie immer kämpfte.
Ihre erste Reaktion war: »Mandela, warum nehmen Sie sich nicht einen Anwalt, der Sie verteidigt? Er könnte diesen Fall richtig handhaben. Warum wollen Sie sich dieser Mühe aussetzen?«
Doch ich gab nicht nach und verlangte vom Urkundsbeamten des Obersten Gerichts die Aufzeichnungen, Dokumente und Bücher, die ich brauchte. Ich forderte auch eine Liste der Zeugen der Staatsanwaltschaft und Zusammenfassungen ihrer künftigen Zeugenaussagen.
Ich erhielt einen Brief, in dem es hieß, ehe das Gericht meiner Forderung stattgeben könne, benötige es Auskunft über die Art meiner Verteidigung. Das war außergewöhnlich. Nach der Art der Verteidigung eines Anwalts vor Prozeßbeginn zu fragen? Kein Verteidiger kann gezwungen werden, seine Verteidigung zu offenbaren, ehe er nicht tatsächlich vor Gericht steht. Ich schrieb zurück, die Art meiner Verteidigung würde ihnen klarwerden, wenn ich mein Schreiben einreiche – und nicht eher.
Das war der Beginn einer Flut von Briefen zwischen mir, dem Urkundsbeamten und dem State Attorney, der die Law Society vertrat. Ich wollte bei keiner meiner Forderungen einen Rückzieher machen. Die Behörden waren genauso unnachgiebig: Ich könne nicht von der Steinbrucharbeit freigestellt werden, ich könne keinen Tisch und keinen Stuhl bekommen und unter gar keinen Umständen könne ich nach Pretoria reisen, um die Rechtsbibliothek zu benutzen.
Ich fuhr fort, die Law Society und den Urkundsbeamten mit Eingaben zu behelligen, die sie weiterhin zurückwiesen. Nach mehreren Monaten und vielen Briefen ließen sie ohne großes Aufheben und mit einer knappen Benachrichtigung die ganze Sache fallen. Sie war ihnen über den Kopf gewachsen. Sie hatten angenommen, ich würde nicht die Initiative oder die Geldmittel haben, um mich selbst zu verteidigen. Sie hatten sich getäuscht.
Ich konnte in allen Einzelheiten über die amtlichen Reaktionen auf meinen Widerstand gegen die Aktion der Law Society lesen, denn wir erhielten eine Tageszeitung, gerade so, als würde sie an unserer Tür abgeliefert. Tatsächlich wurde sie das auch.
Der Aufseher, der uns nachts beaufsichtigte, war ein ruhiger älterer Zeuge Jehovas, mit dem Mac Maharaj sich angefreundet hatte. Eines Nachts begab sich der Aufseher zu Macs Zelle und erzählte ihm, er wolle sich an dem Essay-Wettbewerb einer Zeitung beteiligen. Er frage sich, ob Mac ihm bei der Abfassung des Essays nicht behilflich sein könne. Der ältere Mann deutete an, wenn Mac ihm tatsächlich helfe, würde er eine Belohnung erhalten. Mac willigte ein und schrieb den Essay in der vorgeschriebenen Zeit. Zwei Wochen später erschien der alte Mann bei Mac und war ganz aufgeregt. Er sei in der Endausscheidung des Wettbewerbs, ob Mac ihm nicht noch einen Essay schreiben könne? Als Belohnung versprach der Wärter ihm ein gekochtes Hühnchen. Mac bedeutete dem Aufseher, er würde darüber nachdenken.
Am nächsten Tag erschien Mac bei Walter und mir und schilderte die Situation. Während Walter Mac ermunterte, das Hühnchen anzunehmen, erklärte ich, ich würde es für besser halten, wenn er es ablehnte, denn es könne so aussehen, als werde ihm besondere Behandlung zuteil. Am Abend erzählte Mac dem Aufseher, er werde den Essay schreiben, wenn er dafür eine Packung Zigaretten bekomme. Der alte Wärter willigte ein, und am folgenden Abend erhielt Mac eine frisch gekaufte Packung Zigaretten.
Am nächsten Tag erklärte uns Mac, jetzt habe er die Möglichkeit, den alten Mann unter Druck zu setzen. Wie, fragten wir. »Weil ich seine Fingerabdrücke auf der Zigarettenschachtel habe«, erklärte er, jetzt könne er ihn erpressen. Walter rief aus, das sei unmoralisch. Ich kritisierte Mac zwar nicht, fragte ihn aber, was er denn erpressen wolle. Mac zog die
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