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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Freiheitskämpfer, so ein Quatsch!« Dennoch forderten wir ihn auf, bei uns zu predigen, und schließlich, Ende der sechziger Jahre, erklärte er sich dazu bereit.
    In einer Hinsicht war Reverend Scheffer unorthodox: Er ging die Religion wissenschaftlich an. Das fand ich sehr reizvoll. Viele Menschen bedienen sich der Wissenschaft, um die Religion bloßzustellen, aber Scheffer setzte sie ein, um seinen Glauben zu untermauern. Ich erinnere mich, wie er in einer Predigt von den drei Weisen aus dem Morgenland sprach, die sich von einem Stern nach Bethlehem leiten ließen. »Das ist nicht nur Aberglaube oder Mythos«, sagte er, und dann zitierte er astronomische Befunde, wonach es zu jener Zeit tatsächlich einen Kometen gab, der die in der Bibel beschriebene Bahn verfolgte.
    Als Reverend Scheffler uns näher kennenlernte, wurde er freundlicher. Er hatte einen Sinn für trockenen Humor und machte sich gern über uns lustig. »Wißt ihr«, sagte er, »der weiße Mann hat in diesem Land eine schwierigere Aufgabe als der schwarze. Immer wenn es irgendwo ein Problem gibt, müssen wir eine Lösung finden. Wenn ihr Schwarzen ein Problem habt, habt ihr eine Entschuldigung. Ihr braucht nur ›Ingabilungu‹ zu sagen.« Wir brachen in Gelächter aus, nicht nur wegen seiner unbeabsichtigt komischen Aussprache, sondern auch, weil wir den Gedanken lustig fanden. »Ngabelungu« ist ein Wort aus der Xhosa-Sprache und bedeutet »Die Weißen sind schuld«. Damit sagte er, daß wir die Weißen für alle unsere Schwierigkeiten verantwortlich machen konnten. Seine Botschaft lautete: Wir sollten auch vor unserer eigenen Tür kehren und die Verantwortung für unser Handeln übernehmen – eine Überzeugung, der ich aus vollem Herzen zustimmte.
     
     
    Was der Sonntag für die übrige Woche war, das war Weihnachten für das übrige Jahr. Es war der Tag, an dem die Behörden den Leuten jeden denkbaren guten Willen zeigten. Am Weihnachtstag brauchten wir nicht in den Steinbruch zu gehen, und wir durften eine kleine Menge Süßigkeiten kaufen. Ein traditionelles Weihnachtsessen gab es nicht, aber zum Abendessen erhielten wir eine zusätzliche Tasse Kaffee.
    Die Behörden gestatteten uns, ein Konzert zu organisieren, Wettkämpfe auszutragen und ein Theaterstück aufzuführen. Das Hauptereignis war das Konzert. Unser Chorleiter war Selby Ngendane vom PAC. Er hatte der Jugendliga des ANC angehört, bevor er zum Panafrikanischen Kongreß gewechselt war. Selby hatte ein natürliches Unterhaltungstalent, eine angenehme Stimme und ein feines Gehör.
    Selby suchte die Lieder aus, schrieb die harmonischen Arrangements, benannte die Solisten und leitete die Aufführung. Das Konzert fand am Weihnachtsmorgen auf dem Gefängnishof statt. Wir mischten traditionelle englische Weihnachtslieder mit afrikanischen Stücken und sangen auch ein paar Protestsongs – die Behörden störten sich offenbar nicht daran, oder vielleicht bemerkten sie auch den Unterschied nicht. Die Aufseher waren unser Publikum, und sie freuten sich ebenso über unseren Gesang wie wir selbst.
    Bevor Ngendane ins Gefängnis kam, galt er eigentlich als politisches Leichtgewicht, aber in der Haft zeigte er, was in ihm steckte. Als Gefangener hat man gern Leute mit sonnigem Gemüt um sich, und Selby war so einer.
    Das Gefängnis war eine Art Feuerprobe für den Charakter eines Menschen. Manche Leute zeigen unter dem Druck des Eingesperrtseins echten Elan, bei anderen dagegen stellt sich heraus, daß sie weniger sind, als sie zu sein schienen.
     
     
    Neben den Konzerten veranstalteten wir ein Schach- und ein Dameturnier, und wir spielten auch Scrabble und Bridge. An dem Dame-Wettbewerb nahm ich jedes Jahr teil, und ein paarmal gewann ich den ersten Preis, der meist aus einem Schokoladenriegel bestand. Ich hatte eine langsame, überlegte Spielweise mit vorsichtiger Taktik. Sorgfältig durchdachte ich alle denkbaren Folgen, und dabei verging zwischen den Zügen viel Zeit. Eigentlich widerstreben mir solche Analogien, aber ich bevorzuge diese Handlungsweise nicht nur beim Damespiel, sondern auch in der Politik.
    Meine Gegner zogen meist schneller und verloren manchmal die Geduld mit meiner Spielweise. Einer meiner häufigsten Kontrahenten war Don Davis, der zur Einigungsbewegung der Nichteuropäer gehörte. Don war in der Gegend der Diamantenminen von Kimberley aufgewachsen und war ein rauher, furchtloser Bursche, der auch leicht in Rage geriet. Er spielte ausgezeichnet Dame, aber auf eine

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