Der lange Weg zur Freiheit
Einbürgerung?« –, antworteten wir, und tatsächlich kamen viele von ihnen mit solchen Fragen.
Ich selbst nahm mit einigen dieser Leute durch geschmuggelte Kassiber Kontakt auf. Ich sprach mit mehreren, die aus der Transkei stammten, und fragte sie über meine alte Heimat aus. Ein paar der Neuankömmlinge waren bekannte Gestalten des Freiheitskampfes. Ich hatte Berichte über die Tapferkeit von Patrick »Terror« Lekota gehört, der die South African Student’s Association leitete, und schickte ihm eine Notiz, in der ich ihn auf Robben Island willkommen hieß.
Der Spitzname »Terror« geht auf sein Können beim Fußball zurück, aber ebensolche Fähigkeiten zeigte er auch in der Diskussion. In der Frage der Rassenausgrenzung vertrat er andere Ansichten als manche seiner Kollegen, und er stand den Ideen des ANC näher. Nachdem Terror auf der Insel war, wollte er sich uns anschließen, aber wir rieten ihm davon ab – nicht weil wir ihn nicht haben wollten, sondern weil ein solcher Schachzug nach unserer Ansicht zu Spannungen im allgemeinen Abschnitt führen würde.
Aber Terror ließ sich nicht abwimmeln und verkündete öffentlich, er sei zum ANC übergetreten. Nicht lange danach wurde er eines Tages von verärgerten BCM-Mitgliedern mit einer Mistgabel angegriffen. Nachdem man ihn medizinisch versorgt hatte, erhoben die Behörden Anklage gegen die Angreifer und wollten sie vor Gericht stellen. Im Interesse des guten Einvernehmens rieten wir Terror, von einer Anzeige abzusehen. Er stimmte zu und weigerte sich, gegen die Leute auszusagen, die ihn verletzt hatten. Das Verfahren wurde eingestellt. Nach meiner Überzeugung hätte ein solcher Prozeß nur den Behörden in die Hände gespielt. Ich wollte diesen jungen Leuten begreiflich machen, daß der ANC ein großes Dach ist, unter dem viele verschiedene Anschauungen und Gruppen Platz haben.
Nach diesem Vorfall öffneten sich die Schleusen: Dutzende von BCM-Mitgliedern entschlossen sich, dem ANC beizutreten, darunter auch einige, die den Angriff auf Terror vorbereitet hatten. Terror stieg im allgemeinen Abschnitt zum Leiter der ANC-Hierarchie auf und unterrichtete schon bald andere Häftlinge über die Ansichten der Organisation. Mut und Weitblick von Männern wie Lekota bestätigten uns, daß unsere Ansichten nach wie vor gültig waren und immer noch die besten Aussichten dafür boten, den Freiheitskampf insgesamt zu vereinheitlichen.
In F und G gingen die politischen Fehden weiter. Wir erfuhren von einer Auseinandersetzung zwischen ANC, PAC und BCM im allgemeinen Abschnitt. Mehrere Leute des ANC waren geschlagen worden, doch die Behörden klagten etliche ANC-Mitglieder an, und vor dem Gerichtshof der Insel wurde ein Verfahren angesetzt. Ich war zwar bei den Streitigkeiten nicht dabeigewesen, aber man lud mich als Leumundszeugen vor. Das war eine beunruhigende Vorstellung. Ich war durchaus bereit, als Fürsprecher meiner Kameraden aufzutreten, aber ich wollte nichts unternehmen, was die Spannungen zwischen ANC, PAC und BCM verstärkte.
Ich betrachtete mich im Gefängnis nicht nur als Leiter des ANC, sondern auch als Förderer der Einheit, als ehrlichen Makler und Friedensstifter; deshalb widerstrebte es mir, mich in dieser Auseinandersetzung auf eine Seite zu schlagen, obwohl es die Seite meiner eigenen Organisation war. Wenn ich zugunsten des ANC aussagte, machte das alle meine Aussichten zunichte, zwischen den verschiedenen Gruppen für Versöhnung zu sorgen. Wenn ich Einigkeit predigte, mußte ich auch als Einiger handeln, selbst auf die Gefahr hin, daß ich damit einige meiner eigenen Kollegen vor den Kopf stieß.
Ich entschloß mich, nicht auszusagen. Das enttäuschte ein paar meiner Kollegen, aber nach meiner Überzeugung handelte es sich um eine so schwerwiegende Angelegenheit, daß ich ihr Mißfallen riskieren mußte. Es war wichtiger, den jungen Leuten von Black Consciousness zu zeigen, daß der Kampf unteilbar war und daß wir alle denselben Feind hatten.
Die Behörden waren ängstlich im Umgang mit diesen jungen Löwen und überließen es mehr oder weniger uns selbst, uns zu wehren. Im Steinbruch befanden wir uns schon das zweite Jahr im Bummelstreik, weil wir die völlige Abschaffung der körperlichen Arbeit verlangten. Unsere Forderung richtete sich auf das Recht, mit unserer Zeit etwas Nützliches anzufangen, beispielsweise zu studieren oder ein Handwerk zu lernen. Wir taten im Steinbruch nicht einmal mehr so, als ob wir arbeiteten,
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