Der lange Weg zur Freiheit
Brigadier Munro, der diese Gemüse besonders gern hatte. Auch Wärter gaben mir Samen von Gemüsen, die sie mochten, und ich wurde mit ausgezeichnetem Dünger beliefert.
Allmorgendlich setzte ich einen Strohhut auf, zog robuste Handschuhe an und arbeitete zwei Stunden lang im Garten. Jeden Sonntag schickte ich Gemüse in die Küche, damit man dort eine besondere Mahlzeit für die anderen Gefangenen zubereiten konnte. Einen beträchtlichen Teil meiner Ernte gab ich auch den Wärtern, die Taschen mitzubringen pflegten, um ihre frischen Gemüse nach Hause zu tragen.
In Pollsmoor waren unsere Probleme weniger gewichtig als auf Robben Island. Brigadier Munro war ein anständiger, hilfsbereiter Mensch, der sich große Mühe gab, dafür zu sorgen, daß wir alles hatten, was wir wollten. Dennoch wurden kleine Probleme manchmal ganz unproportional aufgeblasen. 1983, während eines Besuches von Winnie und Zindzi, erwähnte ich meiner Frau gegenüber, daß ich Schuhe bekommen hatte, die mir eine Nummer zu klein waren und auf meine Zehe drückten. Winnie war besorgt, und bald erfuhr ich, es gäbe Presseberichte, nach denen man mir eine Zehe amputiert hätte. Wegen der Kommunikationsschwierigkeiten werden Informationen aus dem Gefängnis in der Außenwelt häufig übertrieben. Wenn ich meine Frau einfach hätte anrufen und ihr sagen können, mein Fuß sei in Ordnung, wäre es nicht zu einer solchen Verwirrung gekommen. Kurze Zeit später durfte Helen Suzman mich besuchen, und sie erkundigte sich nach meiner Zehe. Ich dachte, die beste Antwort sei eine Demonstration: Ich zog meine Socke aus, hob meinen nackten Fuß in Fensterhöhe und wackelte mit den Zehen.
Wir beklagten uns über die Feuchtigkeit in unserer Zelle, die bewirkte, daß wir uns erkälteten. Später hörte ich, südafrikanische Zeitungen hätten geschrieben, in unserer Zelle habe Wasser gestanden. Wir baten um Kontakt mit anderen Gefangenen und brachten ganz allgemein die gleiche grundlegende Beschwerde vor, die wir immer hatten: Wir wollten als politische Gefangene behandelt werden.
Im Mai 1984 wurde mir ein Trost zuteil, der alles Unangenehme aufzuwiegen schien. Zu einem angesagten Besuch von Winnie, Zeni und ihrer jüngsten Tochter wurde ich von Sergeant Gregory in den Besuchsbereich geleitet. Statt in das normale Besuchszimmer drängte er mich in einen abgetrennten Raum, wo es nur einen kleinen Tisch und keine Trennwände irgendwelcher Art gab. Sehr leise sagte er zu mir, die Behörden hätten diese Änderung angeordnet. Dieser Tag war der Beginn dessen, was als »Kontakt«-Besuche bekannt wurde.
Dann ging er hinaus, um meine Frau und meine Tochter zu holen, und bat darum, Winnie unter Vier Augen zu sprechen. Winnie erschrak richtig, als Gregory sie beiseite nahm, da sie dachte, ich sei vielleicht krank. Doch Gregory führte sie durch die Tür, und ehe wir uns versahen, befanden wir uns im gleichen Raum und lagen einander in den Armen. Ich küßte und umarmte meine Frau zum erstenmal in all den vielen Jahren. Das war ein Moment, von dem ich tausendmal geträumt hatte. Es war, als träumte ich noch immer. Ich hielt sie scheinbar eine Ewigkeit in den Armen. Wir waren still und schwiegen, nur unsere Herzen klopften. Ich wollte sie eigentlich überhaupt nicht loslassen, doch dann befreite ich mich, umarmte meine Tochter und nahm ihr Kind auf den Schoß. Es war 21 Jahre her, seit ich auch nur die Hand meiner Frau berührt hatte.
In Pollsmoor erfuhren wir mehr über Ereignisse in der Außenwelt. Uns war bewußt, daß der Kampf intensiver wurde und daß auch die Bemühungen des Feindes zunahmen. 1981 verübte die südafrikanische Defense Force einen Überraschungsüberfall auf ANC-Büros in Maputo, Mosambik, und tötete 13 unserer Leute, darunter Frauen und Kinder. Im Dezember 1982 löste der MK Detonationen in dem im Bau befindlichen Atomkraftwerk Koeberg außerhalb von Kapstadt aus und legte Bomben an viele andere militärische und Apartheid-Ziele im ganzen Land. Im gleichen Monat griff das südafrikanische Militär wieder einen Außenposten des ANC in Maseru, Lesotho, an und tötete 42 Menschen, darunter ein Dutzend Frauen und Kinder.
Im August 1982 öffnete die Aktivistin Ruth First in Maputo, wo sie im Exil lebte, ihre Post und wurde von einer Briefbombe getötet. Ruth, die Ehefrau von Joe Slovo, war eine tapfere Antiapartheidaktivistin, die einige Monate im Gefängnis verbracht hatte. Sie war eine starke, gewinnende Frau, die ich kennengelernt
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