Der lange Weg zur Freiheit
zu Beginn klärte ich die Grundregeln für unsere Diskussionen. »Ich bin nicht der Führer der Bewegung«, sagte ich ihnen. »Der Führer der Bewegung ist Oliver Tambo in Lusaka. Sie müssen hingehen und ihn treffen. Sie können ihm sagen, was meine Ansichten sind, aber es sind allein meine persönlichen Ansichten. Sie repräsentieren nicht einmal die Ansichten meiner Kollegen hier im Gefängnis. Mit dieser Einschränkung bin ich dafür, daß der ANC Diskussionen mit der Regierung beginnt.«
Verschiedene Mitglieder der Gruppe machten sich Sorgen über meine politische Ideologie und darüber, wie ein Südafrika unter ANC-Führung aussehen würde. Ich sagte ihnen, ich sei ein südafrikanischer Nationalist, kein Kommunist, Nationalisten gebe es in allen Schattierungen und Farben und ich sei ein entschiedener Verfechter einer nichtrassistischen Gesellschaft. Dann sagte ich ihnen, ich glaubte an die Freiheits-Charta, denn diese verkörpere Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten und sei keine Blaupause für Sozialismus. Ich sprach von meinem Anliegen, die weiße Minderheit solle sich in jedem neuen Südafrika sicher fühlen. Ich sagte ihnen, meiner Ansicht nach seien viele unserer Probleme eine Folge der mangelnden Kommunikation zwischen der Regierung und dem ANC, und einige davon könnten durch Gespräche gelöst werden.
Sie befragten mich eingehend zum Thema der Gewalt. Ich war zwar noch nicht bereit, auf Gewalt zu verzichten, versicherte ihnen aber mit den eindeutigsten Worten, Gewalt könne niemals die endgültige Lösung der Situation in Südafrika sein, und natürlich müßten die Menschen durch Verhandeln zu einer Verständigung gelangen. Ich wiederholte noch einmal, dies seien meine Ansichten und nicht die des ANC, schlug jedoch vor, wenn die Regierung die Armee und die Polizei aus den Townships zurückziehe, werde der ANC vielleicht im Vorfeld von Gesprächen einer Einstellung des bewaffneten Kampfes zustimmen. Ich sagte ihnen, meine Freilassung allein würde die Gewalt im Lande nicht eindämmen oder Verhandlungen fördern.
Nach ihrem Besuch bei mir wollte die Gruppe sowohl Oliver in Lusaka als auch Regierungsvertreter in Pretoria aufsuchen. Mit meinen Bemerkungen hatte ich Botschaften an beide ausgesandt. Ich wollte der Regierung deutlich machen, daß wir unter den richtigen Umständen reden würden, und Oliver sollte wissen, daß meine und seine Position die gleiche waren.
Im Mai sollte die Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten mich ein letztes Mal besuchen. Ich war optimistisch, da sie sowohl in Lusaka als auch in Pretoria gewesen waren, und ich hoffte, die Saat für Verhandlungen sei gelegt. Doch am Tag vor dem anberaumten Treffen unternahm die südafrikanische Regierung einen Schritt, der jeden guten Willen sabotierte, den die Besucher des Commonwealth möglicherweise erzeugt hatten. An dem Tag, an dem die hervorragenden Persönlichkeiten sich mit Kabinettsministern treffen sollten, unternahm die südafrikanische Defense Force auf Befehl von Präsident Botha Luftangriffe und Kommandoattacken auf ANC-Basen in Botswana, Sambia und Simbabwe. Damit waren die Gespräche völlig vergiftet, und die Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten reiste unverzüglich aus Südafrika ab. Wieder hatte ich das Gefühl, meine Bemühungen, die Verhandlungen voranzubringen, seien gescheitert.
Oliver Tambo und der ANC hatten das Volk Südafrikas aufgerufen, das Land unregierbar zu machen, und das Volk folgte diesem Aufruf. Der Zustand der Unruhe und politischen Gewalt erreichte neue Höhen. Die Massen waren unkontrolliert zornig und die Townships in Aufruhr. Der internationale Druck wuchs von Tag zu Tag. Am 12. Juni 1986 verhängte die Regierung den Ausnahmezustand, um den Protest einzudämmen. In jeder äußeren Hinsicht schien die Zeit für Verhandlungen schlecht geeignet.
Doch oft sind gerade die entmutigendsten Augenblicke die richtigen, um eine Initiative einzuleiten. In solchen Momenten suchen die Menschen nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma. In diesem Monat schrieb ich einen sehr einfachen Brief an General Willemse, den Commissioner of Prisons. Darin sagte ich nur: »Ich möchte Sie in einer Angelegenheit von nationaler Bedeutung sprechen.« Ich übergab Brigadier Munro den Brief an einem Mittwoch.
Am folgenden Wochenende sagte der kommandierende Offizier, ich solle auf eine Begegnung mit General Willemse vorbereitet sein, der aus Pretoria käme. Dieses Treffen verlief anders als gewohnt. Ich
Weitere Kostenlose Bücher