Der lange Weg zur Freiheit
ein wenig zweideutig hinzu: »Vielleicht wird etwas Gutes dabei herauskommen. In bin jetzt in einer Lage, in der die Regierung sich uns annähern kann.« Diese letzte Erklärung sagte ihnen nicht viel; das hatte ich vorher gewußt.
Ich beschloß, niemanden darüber zu informieren, was zu tun ich im Begriff war. Nicht meine Kollegen von oben und auch nicht die in Lusaka. Der ANC ist ein Kollektiv, doch die Regierung hatte Kollektivität in diesem Fall unmöglich gemacht. Ich hatte weder die Sicherheit noch die Zeit, diese Fragen mit meiner Organisation zu diskutieren. Ich wußte, daß meine Kollegen von oben meinen Vorschlag mißbilligen und meine Initiative vereiteln würden, noch ehe sie geboren war. Es gibt Zeiten, in denen ein Führer der Herde vorangehen und sich in eine neue Richtung bewegen muß, darauf vertrauend, daß er sein Volk auf den richtigen Weg führt. Schließlich lieferte meine Isolation meiner Organisation eine Entschuldigung, falls die Sache schiefging: Der alte Mann war allein und völlig von allem abgeschnitten, und seine Aktionen unternahm er als Individuum und nicht als Vertreter des ANC.
Binnen weniger Wochen nach meiner Verlegung schrieb ich an Kobie Coetsee, um Gespräche über Gespräche vorzuschlagen. Wie zuvor erhielt ich keine Antwort. Ich schrieb erneut, und wieder bekam ich keine Antwort. Das fand ich eigenartig und demoralisierend, und mir wurde klar, daß ich nach einer anderen Gelegenheit, gehört zu werden, suchen mußte. Diese kam Anfang 1986.
Bei einer Konferenz des British Commonwealth in Nassau im Oktober 1985 konnten die Politiker sich nicht darüber einigen, ob sie sich an den internationalen Sanktionen gegen Südafrika beteiligen sollten. Dies lag hauptsächlich daran, daß die britische Premierministerin Margaret Thatcher unnachgiebig dagegen war. Um den toten Punkt zu überwinden, verständigten sich die versammelten Nationen darauf, daß eine Delegation »hervorragender Persönlichkeiten« Südafrika besuchen und danach berichten sollte, ob Sanktionen das angemessene Werkzeug seien, um zum Ende der Apartheid beizutragen. Anfang 1986 traf die aus sieben Mitgliedern bestehende Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten, angeführt von General Olusegun Obasanjo, dem früheren Militärführer Nigerias, und dem ehemaligen australischen Premierminister Malcolm Fraser, zu ihrer Fact-finding-Mission in Südafrika ein.
Im Februar besuchte General Obasanjo mich, um über die Natur des Mandats der Delegation zu diskutieren. Er war gern bereit, ein Treffen zwischen mir und der ganzen Gruppe zu erleichtern. Mit Erlaubnis der Regierung wurde ein solches Treffen für Mai einberaumt. Die Gruppe würde mit dem Kabinett sprechen, nachdem sie mich gesehen hatte, und ich sah das als Chance, das Thema von Verhandlungen aufzubringen.
Die Regierung betrachtete meine Sitzung mit der Gruppe als etwas Außergewöhnliches. Zwei Tage vor dem Treffen wurde ich von Brigadier Munro besucht, der einen Schneider mitbrachte. »Mandela«, sagte der Kommandant, »wir möchten, daß Sie diesen Leuten von gleich zu gleich begegnen. Wir wollen nicht, daß Sie diese alten Gefängniskleider tragen, also wird der Schneider Ihre Maße nehmen und Sie mit einem angemessenen Anzug ausstatten.« Der Schneider muß eine Art Zauberer gewesen sein, denn gleich am nächsten Tag probierte ich einen Nadelstreifenanzug an, der mir wie angegossen paßte. Ich erhielt auch ein Hemd, Krawatte, Schuhe, Socken und Unterwäsche. Der Kommandant bewunderte meine neue Aufmachung. »Mandela, jetzt sehen Sie aus wie ein Premierminister, nicht wie ein Häftling«, sagte er und lächelte.
Dem Treffen zwischen mir und der Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten schlössen sich zwei bedeutende Beobachter an: Kobie Coetsee und Lieutenant General W. H. Willemse, der für die Gefängnisse zuständige Commissioner of Prisons. Wie der Schneider waren diese beiden Männer da, um an mir Maß zu nehmen. Doch merkwürdigerweise gingen sie kurz nach Beginn der Sitzung. Ich drängte sie zu bleiben, sagte, ich hätte nichts zu verbergen, doch sie entfernten sich trotzdem. Ehe sie sich verabschiedeten, sagte ich ihnen, nun sei die Zeit für Verhandlungen und nicht für Kämpfe gekommen und die Regierung und der ANC sollten sich zusammensetzen und reden.
Die Gruppe der hervorragenden Persönlichkeiten war mit vielen Fragen gekommen, bei denen es sich unter anderem um Gewalt, Verhandlungen und internationale Sanktionen drehte. Gleich
Weitere Kostenlose Bücher