Der lange Weg zur Freiheit
cholesterinarme Diät gesetzt. Von dieser Anweisung hatte die Küche der Klinik anscheinend noch nichts erfahren, denn das Frühstückstablett enthielt Rührei, drei Scheiben Schinkenspeck und mehrere Scheiben gebutterten Toast. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letztenmal Speck und Eier gegessen hatte, und war heißhungrig. Gerade, als ich einen köstlichen Bissen Rührei zum Munde führen wollte, sagte Major Marais: »Nein, Mandela, das ist gegen die Anweisungen Ihres Arztes«, und er streckte den Arm aus, um das Tablett an sich zu nehmen. Ich hielt es fest und sagte: »Tut mir leid, Major. Wenn dieses Frühstück mich umbringt, dann bin ich bereit, heute zu sterben.«
Nachdem ich in Constantiaberge untergebracht worden war, begannen wieder Treffen mit Kobie Coetsee und dem geheimen Komitee. Noch während meines Aufenthalts in der Klinik sagte Coetsee, er wolle mich in eine Situation verbringen, die auf halbem Wege zwischen Gefangenschaft und Freiheit liege. Er erklärte nicht im einzelnen, was das bedeutete, doch ich hatte eine gewisse Vorstellung, wovon er sprach, und nickte bloß. Ich war nicht so naiv zu glauben, er schlage mir die Freiheit vor, aber ich wußte, daß es ein Schritt in diese Richtung war.
Einstweilen war die Klinik überaus komfortabel, und zum erstenmal genoß ich es richtig, in einem Krankenhaus zu genesen. Die Schwestern, die weiß oder farbig waren – schwarze Schwestern waren nicht zugelassen –, verwöhnten mich. Sie brachten zusätzliche Desserts und Kissen und besuchten mich dauernd, sogar in ihrer Freizeit.
Eines Tages kam eine der Krankenschwestern zu mir und sagte: »Mr. Mandela, wir geben heute abend eine Party und möchten gern, daß Sie auch kommen.« Ich sagte, es werde mir eine Ehre sein, aber zweifellos hätten die Behörden da ein Wörtchen mitzureden. Die Gefängnisverwaltung verweigerte mir die Erlaubnis, was die Schwestern aufbrachte, und so beschlossen sie, ihre Party in meinem Zimmer abzuhalten, und behaupteten, ohne mich könnten sie nicht feiern.
Am Abend kam etwa ein Dutzend der jungen Damen in Partykleidern mit Kuchen und Punsch und Geschenken in mein Zimmer herunter. Die Wachen schienen verwirrt, aber sie konnten diese lebhaften jungen Mädchen kaum als Sicherheitsrisiko betrachten. Als einer der Wächter versuchte, ein paar von den Krankenschwestern am Betreten meines Zimmers zu hindern, warf ich ihm scherzhaft vor, er sei eifersüchtig auf einen alten Mann, dem so schöne junge Damen soviel Aufmerksamkeit schenkten.
Anfang Dezember 1988 wurden die Sicherheitsmaßnahmen in meiner Station verschärft, und die diensthabenden Offiziere waren wachsamer als gewöhnlich. Irgendeine Veränderung stand unmittelbar bevor. Am Abend des 9. Dezember kam Major Marais in mein Zimmer und sagte, ich solle mich zum Aufbruch fertigmachen. Wohin? fragte ich ihn. Er konnte es nicht sagen. Ich packte meine Sachen und hielt nach einigen meiner loyalen Krankenschwestern Ausschau; ich war enttäuscht, mich nicht verabschieden und bei ihnen bedanken zu können.
Hastig brachen wir auf, und nach etwa einer Stunde Fahrt kamen wir zu einem Gefängnis, das ich dem Namen nach kannte: Victor Verster. Es liegt in der hübschen alten Cape-Dutch-Stadt Paarl, 50 Kilometer nordöstlich von Kapstadt im Weinbaugebiet der Provinz. Das Gefängnis hatte den Ruf einer Modelleinrichtung. Wir passierten die ganze Länge des Gefängnisareals und fuhren dann auf einer gewundenen, unasphaltierten Straße durch ziemlich wildes, bewaldetes Gelände an der Rückseite des Grundstücks. Am Ende der Straße erreichten wir ein isoliertes, weißgetünchtes, einstöckiges kleines Haus hinter einer Betonmauer, beschattet von hohen Tannen.
Von Major Marais wurde ich in das Haus geführt und fand ein geräumiges Wohnzimmer neben einer großen Küche. Auf der Rückseite des Hauses lag ein noch größeres Schlafzimmer. Die Räume waren spärlich, aber bequem möbliert. Sie waren vor meiner Ankunft nicht gesäubert oder gewischt worden, und Schlaf- und Wohnraum wimmelten von allen möglichen exotischen Insekten, Tausendfüßlern, Affenspinnen und dergleichen, von denen ich einige noch nie zuvor gesehen hatte. In dieser Nacht entfernte ich die Insekten von meinem Bett und vom Fensterbrett und schlief in dem, was mein neues Zuhause sein sollte, außerordentlich gut.
Am nächsten Morgen schaute ich mir meine neue Bleibe an und entdeckte einen Swimmingpool im hinteren Garten und zwei kleinere
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