Der lange Weg zur Freiheit
Schlafzimmer. Ich ging nach draußen und bewunderte die Bäume, die dem Haus Schatten gaben und es kühl hielten. Der ganze Ort wirkte entlegen und isoliert. Das einzige, was das idyllische Bild verdarb, waren der Stacheldraht oben auf den Mauern und die Wachen am Hauseingang. Dennoch waren Ort und Lage schön; ein Haus auf halbem Weg zwischen Gefängnis und Freiheit.
An diesem Nachmittag wurde ich von Kobie Coetsee besucht, der als Einstandsgeschenk eine Kiste Kap-Wein mitbrachte. Die Ironie, daß ein Gefängnisbeamter seinem Gefangenen ein solches Geschenk überreichte, entging uns beiden nicht. Er gab sich große Mühe, dafür zu sorgen, daß ich mich in meinem neuen Heim wohl fühlte. Er nahm das Haus selbst in Augenschein und empfahl nur, die Mauern außerhalb des Hauses sollten erhöht werden – meiner Privatsphäre wegen, sagte er. Er teilte mir mit, diese Unterkunft in Victor Verster werde mein letztes Zuhause vor der Freiheit sein. Wie er sagte, war ich verlegt worden, damit ich einen Ort hatte, an dem ich ungestört und bequem Gespräche führen konnte.
Tatsächlich gab dieses Haus mir die Illusion von Freiheit. Ich konnte zu Bett gehen und aufstehen, wann es mir paßte, schwimmen, wenn ich Lust dazu hatte, und essen, wenn ich hungrig war – all das waren köstliche Erfahrungen. Einfach tagsüber hinausgehen und einen Spaziergang machen zu können, wenn mir danach war, war ein Augenblick privater Herrlichkeit. Die Fenster waren nicht vergittert, nirgends klirrten Schlüssel, es gab keine Türen, die auf- oder zugesperrt wurden. Es war rundum angenehm, doch ich vergaß nie, daß es ein goldener Käfig war.
Der Gefängnisdienst stellte mir einen Koch, Warrant Officer Swart, einen großen, ruhigen Afrikander, der früher Wärter auf Robben Island gewesen war. Ich erinnerte mich nicht an ihn, aber er sagte, er habe uns manchmal zum Steinbruch gefahren und den Laster absichtlich über Geröll gesteuert, um uns durchzurütteln. »Das habe ich Ihnen angetan«, sagte er verlegen, und ich lachte. Er war ein anständiger, gutmütiger Bursche ohne jedes Vorurteil, und für mich wurde er wie ein jüngerer Bruder.
Er kam um sieben Uhr morgens und ging um vier, und er bereitete mir Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Mein Arzt hatte mir eine Diät verordnet, und er richtete sich bei der Zubereitung danach. Er war ein guter Koch, und wenn er um vier Uhr nach Hause ging, ließ er mir ein Abendessen zurück, das ich in einem Mikrowellenherd erhitzen konnte, einem Gerät, das mir neu war.
Warrant Officer Swart buk Brot, braute selbst Ingwerbier und bereitete andere Delikatessen zu. Wenn ich Besucher hatte, was immer häufiger vorkam, sorgte er für Gourmetmahlzeiten. Meine Gäste lobten die Speisen immer, und ich darf wohl sagen, daß alle Besucher mich um meinen Koch beneideten. Als die Behörden anfingen, einigen meiner ANC-Kameraden, Mitgliedern der United Democratic Front (UDF) und des Mass Democratic Movement (MDM) Besuche bei mir zu gestatten, beschuldigte ich sie, sie kämen nur wegen des Essens.
Eines Tages, nach einer köstlichen Mahlzeit, die Mr. Swart zubereitet hatte, kam ich in die Küche, um das Geschirr abzuwaschen. »Nein«, sagte er, »das ist meine Aufgabe. Sie müssen wieder ins Wohnzimmer zurückgehen.« Ich bestand darauf, ich müsse etwas tun und wenn er koche, sei es nur fair, daß ich den Abwasch erledige. Mr. Swart protestierte, doch am Ende gab er nach. Er hatte auch etwas dagegen, daß ich morgens mein Bett machte, und sagte, dafür sei er zuständig. Doch ich hatte mein Bett so lange selbst gemacht, daß es zu einem Reflex geworden war.
Noch etwas anderes handelten wir aus. Wie viele Wärter, die Afrikaans sprachen, war er begierig, sein Englisch zu verbessern.
Und ich suchte immer nach Möglichkeiten, mein Afrikaans aufzupolieren. Wir trafen eine Vereinbarung: Er sprach zu mir Englisch, und ich antwortete auf afrikaans, so daß wir beide die Sprache übten, in der wir am schwächsten waren.
Gelegentlich bat ich ihn, mir bestimmte Gerichte zuzubereiten. Manchmal wünschte ich mir Maisbrei und Bohnen, was ich als Kind gegessen hatte. Eines Tages sagte ich zu ihm: »Wissen Sie, ich möchte gern, daß Sie mir etwas braunen Reis kochen.« Zu meinem Erstaunen sagte er: »Was ist brauner Reis?« Swart war ein junger Mann, und ich erklärte ihm, brauner Reis sei das ungeschälte Reiskorn, das wir während des Krieges aßen, als weißer Reis nicht zu bekommen war. Ich sagte, er sei viel
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