Der lange Weg zur Freiheit
bestand darin, mit der Inkatha Freedom Party eine Anti-ANC-Allianz zu bilden und die farbigen afrikaans-sprechenden Wähler am Kap in eine neue National Party zu locken. Vom Augenblick meiner Freilassung an begannen sie Buthelezi und die farbigen Wähler am Kap zu umwerben. Die Regierung versuchte die farbige Bevölkerung in Schrecken zu versetzen durch den Gedanken, der ANC sei gegen die Farbigen eingestellt. Sie stärkten Buthelezis Wunsch, in einem neuen Südafrika Macht und Identität der Zulu zu bewahren, und legten ihm daher die Doktrin der Gruppenrechte und des Föderalismus nahe.
Die erste Gesprächsrunde mit der Regierung fand an drei Tagen Anfang Mai statt. Unsere Delegation bestand aus Walter Sisulu, Joe Slovo, Alfred Nzo, Thabo Mbeki, Ahmed Kathrada, Joe Modise, Ruth Mompati, Archie Gumede, Reverend Beyers Naude, Cheryl Carolus und mir. Verhandlungsort war Groote Schuur, jenes Herrschaftshaus im kapholländischen Stil, das die Residenz der ersten südafrikanischen Kolonialgouverneure, unter ihnen Cecil Rhodes, gewesen war. Einige aus unserer Delegation spotteten, daß wir in einen Hinterhalt im Feindesland geraten seien. Doch wider Erwarten wurden die Gespräche mit Ernst und in guter Stimmung geführt. Historische Feinde, die sich über drei Jahrhunderte lang bekämpft hatten, kamen zusammen und reichten sich die Hand. Viele wunderten sich laut, warum solche Diskussionen nicht schon viel früher geführt worden seien. Die Regierung hatte Joe Slovo, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei, und Joe Modise, dem Befehlshaber der MK, zeitweilige Indemnität erteilt, und es war ein außerordentlicher Anblick, als diese beiden Männer den Führern der National Party, die sie über Jahrzehnte hin dämonisiert hatten, die Hand schüttelten. Wie Thabo Mbeki später zu Reportern sagte, jede Seite habe entdeckt, daß die andere keine Hörner trage.
Die bloße Tatsache dieser Gespräche war ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte unseres Landes. Wie ich betonte, repräsentierte das Treffen nicht nur ein Ziel, das der ANC so viele Jahre angestrebt hatte, sondern bedeutete auch ein Ende des Herr-Knecht-Verhältnisses, das die Beziehungen von Schwarzen und Weißen in Südafrika charakterisiert hatte. Wir waren zu dem Treffen nicht als Unterwürfige oder Bittsteller gekommen, sondern als südafrikanische Mitbürger, die einen gleichen Platz am Tisch verdienten.
Der erste Tag diente mehr oder weniger einer historischen Lektion. Ich erklärte unseren Gesprächspartnern, der ANC habe seit seiner Gründung im Jahr 1912 stets Verhandlungen mit der an der Macht befindlichen Regierung gesucht. Mr. de Klerk gab zu bedenken, das System der separaten Entwicklung sei zwar eine gute Idee gewesen, habe sich in der Praxis aber nicht bewährt. Das bedauere er, meinte de Klerk, und er hoffe, die Verhandlungen würden dafür entschädigen. Das war keine Verteidigung der Apartheid, sondern ging weiter, als je ein Führer der National Party gegangen war.
Die vorrangige Frage, die zu erörtern war, war die Definition politischer Gefangener und politischer Exilanten. Die Regierung sprach sich für eine enge Definition aus und wollte die Zahl unserer Leute, die sich für eine Indemnität qualifizierten, klein halten. Wir plädierten für die weitestmögliche Definition und erklärten, jede Person, die aufgrund einer politisch motivierten Handlung verurteilt worden sei, solle für eine Straffreiheit in Frage kommen. Wir konnten uns nicht auf eine beide Seiten zufriedenstellende Definition »politisch motivierter« Straftaten einigen, und dies war eine Frage, die uns noch eine ganze Weile zu schaffen machen sollte.
Am Ende des dreitägigen Treffens einigten wir uns auf ein Protokoll, das als »Groote Schuur Minute« bekannt wurde und das beide Seiten aufforderte, einen friedlichen Verhandlungsweg einzuschlagen, sowie die Regierung verpflichtete, den Notstand aufzuheben. Das geschah auch kurze Zeit später, mit Ausnahme der von Gewalt erschütterten Provinz Natal. Wir kamen überein, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden, welche die vielen Hindernisse aus dem Weg räumen sollte, die noch vor uns lagen.
Als es an Verfassungsfragen ging, erklärten wir der Regierung, wir forderten eine gewählte konstituierende Nationalversammlung, die eine neue Verfassung erarbeiten solle. Wir glaubten, die Frauen und Männer, welche die Verfassung zu schaffen hätten, sollten vom Volk selbst gewählt werden. Doch vor der Wahl der
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