Der lange Weg zur Freiheit
Gefängniszeit sei es Oliver gewesen, der den ANC vor dem Untergang bewahrt und ihn dann zu einer internationalen Organisation mit Macht und Einfluß ausgebaut habe. Er habe die Zügel aufgenommen, als die meisten ANC-Führer entweder im Gefängnis oder im Exil waren. Er sei Soldat, Diplomat und Staatsmann.
Wenngleich auch ich die Regierung wegen ihrer konzertierten Kampagne aus kontrarevolutionären Aktivitäten kritisiert hatte, so löste doch erst Olivers Ansprache einen Sturm der Erregung aus. Dem ANC, behauptete er, drohe eine »internationale Marginalisierung«, wenn er nicht die Initiative zur Deeskalation der Sanktionen ergreife. Die Europäische Gemeinschaft habe bereits begonnen, die Sanktionen zurückzuschrauben. Die westlichen Staaten, sonderlich Großbritannien und die Vereinigten Staaten, wünschten Mr. de Klerk für seine Reformen zu belohnen, weil sie der Meinung seien, das würde ihn zu weiteren veranlassen. Wir hatten das Gefühl, dies sei die falsche Strategie, doch wir hatten die internationalen Realitäten anzuerkennen.
Obwohl das NEC Olivers Rede diskutierte und billigte, stieß sein Vorschlag bei militanten ANC-Anhängern auf Unwillen, und sie beharrten darauf, die Sanktionen müßten unverändert aufrechterhalten werden. Die Konferenz beschloß, die Sanktionspolitik unverändert zu lassen.
Ich selbst war das Ziel von Vorwürfen jener, welche die Verhandlungsdelegation beschuldigten, sie habe den Kontakt zur Basis verloren und verbringe mehr Zeit mit den Führern der National Party als mit unseren eigenen Leuten. Ich wurde dafür kritisiert, mich einer »persönlichen Diplomatie« zu widmen und die einfachen Mitglieder der Organisation nicht zu informieren. Als Führer einer Massenorganisation, hieß es in der Konferenz, müsse man auf die Leute hören, und ich räumte ein, wir hätten es versäumt, die ganze Organisation über den Gang der Verhandlungen zu informieren. Doch ich wußte auch um den heiklen Charakter unserer Gespräche mit der Regierung; alle Abkommen, die wir erzielten, hingen zum Teil von ihrer Vertraulichkeit ab. Auch wenn ich die Kritik akzeptierte, so war ich doch der Meinung, daß wir keine andere Wahl hatten, als den bisherigen Weg weiterzugehen. Ich wußte, daß ich über unseren Fortschritt mehr Menschen informieren müßte, und merkte mir das für das weitere Vorgehen.
An jedem Tag, jedem Wochenende waren die Zeitungen voll von neuen Berichten über blutige Gewalt in unseren Gemeinden und Townships. Es ließ sich nicht leugnen, daß Gewalt das Thema Nummer eins im Lande war. In vielen Gemeinden in Natal und auf dem Reef um Johannesburg machte eine giftige Mischung aus Verbrechen, politischen Rivalitäten, Polizeibrutalität und geheimen Todeskommandos das Leben grausam und unerträglich. Solange die Gewalt nicht gebändigt war, würde der Weg zu einer neuen Ordnung schwierig und ungewiß sein.
Um zu versuchen, die Gewaltspirale aufzuhalten, nahm ich Kontakt zu Häuptling Buthelezi auf, um ein Treffen zu arrangieren. Wir kamen im Januar im Royal Hotel in Durban zusammen. Häuptling Buthelezi sprach zunächst vor versammelten Delegierten und den Medien, und er riß dabei eher Wunden auf, als daß er sie schloß. Er zählte die verbalen Angriffe auf, die der ANC gegen ihn vorgetragen hätte, und kritisierte die Forderungen, die der ANC bei Verhandlungen vorbrachte. Als es an mir war zu reden, zog ich es vor, auf seine Bemerkungen nicht einzugehen, sondern ihm dafür zu danken, daß er sich über viele Jahre hin um meine Freilassung aus dem Gefängnis bemüht hatte. Ich ging auf unsere lange Beziehung ein und unterstrich die vielen Themen, die unsere beiden Organisationen eher verbanden als trennten.
In unseren Privatgesprächen erzielten wir Fortschritte, und so unterzeichneten Häuptling Buthelezi und ich ein Abkommen über einen Verhaltenskodex für unsere beiden Organisationen. Es war eine faire Übereinkunft, und ich vermute, wenn sie eingehalten worden wäre, hätte sie tatsächlich dazu beigetragen, das Blutvergießen zu beenden. Doch soweit ich es beurteilen kann, hat die Inkatha niemals irgendeinen Versuch unternommen, das Abkommen zu erfüllen. Doch auch auf unserer Seite kamen Verletzungen vor.
Die Gewalttätigkeiten zwischen unseren beiden Organisationen dauerten an. Jeden Monat starben Hunderte von Menschen. Im März griffen Inkatha-Mitglieder die Township Alexandra nördlich von Johannesburg an, und bei den dreitägigen Gefechten wurden 45
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