Der lange Weg zur Freiheit
Partei war im Exil gewesen. Die meisten von ihnen waren zur Konferenz im Juli heimgekehrt. Sie waren mit dem heutigen Südafrika nicht vertraut; es war für sie wie für mich ein neuentdecktes Land. Doch eine ungewöhnlich große Zahl von jungen Führungspersönlichkeiten aus der United Democratic Front und der COSATU war im Lande geblieben, und sie kannten die politische Situation besser als wir. Diese Organisationen waren in Südafrika während der achtziger Jahre in gewissem Maße ein Ersatz für den ANC gewesen. Der ANC hatte auch diese Frauen und Männer in die Organisation zu integrieren.
Wir standen nicht nur vor logistischen, sondern auch vor philosophischen Problemen. Es ist eine relativ einfache Sache, eine Bewegung zusammenzuhalten, wenn man gegen einen gemeinsamen Feind kämpft. Doch eine Politik zu formulieren, wenn dieser Feind auf der anderen Seite des Verhandlungstischs sitzt, ist eine ganz andere Sache. Im neuen ANC hatten wir nicht nur viele unterschiedliche Gruppierungen zu integrieren, sondern auch viele unterschiedliche Auffassungen. Wir mußten die Organisation auf den Gedanken der Verhandlungen einschwören. In den ersten 17 Monaten legaler Tätigkeit rekrutierte der ANC 700000 Mitglieder. Das war eine eindrucksvolle Zahl, doch für Selbstzufriedenheit war keine Zeit. Eine verhältnismäßig kleine Zahl dieser Mitglieder stammte aus ländlichen Gebieten, aus den Regionen, in denen der ANC in der Vergangenheit am schwächsten gewesen war. Zur gleichen Zeit machte die National Party ihre Tore weit auf für Nichtweiße und rekrutierte eifrig unzufriedene Farbige und Inder.
Seit meiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte der Staat unablässig meine Frau zu diskreditieren versucht. Nach der angeblichen Entführung von vier Jugendlichen, die sich im Hause Diepkloof aufhielten, und nach dem Tod eines der Jugendlichen war Winnie zunächst durch Flüsterkampagnen verleumdet und dann der Entführung in vier Fällen und der Körperverletzung angeklagt worden. Die ständigen Verdächtigungen hinsichtlich ihres Charakters waren derart, daß wir beide, Winnie und ich, den Gerichtstermin herbeisehnten, in dem sich ihre Unschuld erweisen würde.
Der Prozeß gegen meine Frau begann im Februar im Rand Supreme Court (Oberstes Gericht) in Johannesburg. Ich war am ersten Prozeßtag zugegen, wie viele ältere ANC-Mitglieder, und ich nahm, sooft ich konnte, an der Verhandlung teil, sowohl um meine Frau zu unterstützen als auch um zu zeigen, daß ich sie für unschuldig hielt. Sie hatte in George Bizos einen fähigen Verteidiger, der zu beweisen versuchte, daß Winnie weder mit den Entführungen noch mit der Körperverletzung zu schaffen hatte.
Nach dreieinhalb Monaten fand das Gericht sie der Entführung und der Mithilfe bei der Körperverletzung für schuldig. Der Richter erklärte jedoch, sie habe nicht selbst an irgendeiner Tätlichkeit teilgenommen. Winnie wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch gegen Kaution bis zur Berufungsverhandlung auf freien Fuß gesetzt. Was mich betrifft, so stand ihre Unschuld außer Zweifel, ob sie nun verurteilt wurde oder nicht.
Am 20. Dezember 1991, nach mehr als anderthalb Jahren Gespräche über Gespräche, begannen die wirklichen Gespräche: CODESA – die Convention for a Democratic South Africa – stellte das erste formale Verhandlungsforum für Regierung, ANC und andere südafrikanische Parteien dar. Alle unsere vorherigen bilateralen Diskussionen hatten die Grundlage geschaffen für diese Gespräche, die im World Trade Centre, einem modernen Ausstellungszentrum in der Nähe des Jan-Smuts-Flughafens von Johannesburg, stattfanden. An CODESA nahmen 18 Verhandlungsdelegationen teil, welche die ganze Bandbreite südafrikanischer Politik abdeckten, dazu Beobachter der Vereinten Nationen, des Commonwealth, der Europäischen Gemeinschaft und der Organisation für Afrikanische Einheit. Es handelte sich um den größten Querschnitt politischer Gruppierungen, der jemals an einem Ort in Südafrika getagt hatte.
Die Eröffnung dieser Gespräche war ein historisches Ereignis, mit Sicherheit die größte konstitutionelle Versammlung seit jener von 1909, als die früheren britischen Kolonien am Kap und in Natal sowie die Burenrepubliken des Transvaal und des Oranje-Freistaats übereinkamen, eine einzige Union zu bilden. Natürlich war jene Konvention nicht ein Tribut an die Demokratie, sondern ein Verrat an ihr, denn keiner der Vertreter an jenem Tag dort war ein
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