Der lange Weg zur Freiheit
Verhaftungen gegeben? Warum ist die Polizei untätig dabeigestanden?« In einem anderen Land, erklärte ich ihm, in der eine Tragödie dieses Ausmaßes sich ereigne, bei der mehr als 30 Menschen erschlagen worden seien, stünde das Staatsoberhaupt nicht an, Worte des Beileids zu äußern, doch er habe bisher kein Wort dazu gesagt. Auf meine Vorhaltungen hatte er keine Antwort. Ich forderte de Klerk auf, mir eine Erklärung zu geben, doch darauf warte ich heute noch.
Der zweite Zwischenfall ereignete sich im November. Eine Gruppe von Inkatha-Mitgliedern betrat ein Siedlercamp mit dem Namen Zonkizizwe (Zulu für »der Platz, wo alle Nationen willkommen sind«) am Rande der Stadt Germiston östlich von Johannesburg und trieb ANC-Anhänger hinaus. Dabei wurde eine Anzahl von ihnen getötet. Die Inkatha-Mitglieder besetzten dann die verlassenen Hütten und konfiszierten allen Besitz. Bewohner des Gebiets erklärten, die Inkatha-Mitglieder seien in Begleitung von Polizisten gewesen. Und wieder ergriffen Polizei und Regierung nach dieser Tragödie keine Maßnahmen. Das Leben von Schwarzen in Südafrika war niemals so wohlfeil gewesen.
Wieder traf ich mich mit Mr. de Klerk und seinem Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok. Wieder fragte ich Mr. de Klerk, warum die Polizei nach diesen Verbrechen nicht eingegriffen habe. Die Täter könnten leicht ausfindig gemacht werden, erklärte ich, denn sie hielten nun die Hütten der Leute besetzt, die sie zuvor getötet hätten. Mr. de Klerk bat Mr. Vlok um eine Erklärung, und der fragte mich in ziemlich rüdem Ton, auf wessen Besitz die Hütten ständen, womit er andeuten wollte, daß die Leute wilde Siedler gewesen seien und folglich keine Rechte hätten. Tatsache sei, erwiderte ich ihm, daß die Lokalbehörden den Leuten das Land zur Verfügung gestellt hätten. Seine Haltung war die vieler Afrikander, die schlicht glauben, die schwarzen Stämme hätten sich seit undenklichen Zeiten gegenseitig umgebracht. Wieder erklärte mir Mr. de Klerk, er werde der Sache nachgehen und mir antworten, was er bis heute nicht getan hat.
Während dieser Zeit ergriff die Regierung eine weitere Maßnahme, die Öl ins Feuer goß. Sie führte eine Regelung ein, die Zulus gestattete, sogenannte »traditionelle Waffen« zu tragen, wenn sie sich an politischen Demonstrationen und Zusammenkünften in Natal und anderswo beteiligten. Diese Waffen, nämlich Assegais, also Speere, und Knobkerries, Holzstöcke mit schwerem hölzernem Kopf, waren in Wirklichkeit Waffen, mit denen Inkatha-Anhänger ANC-Mitglieder töteten. Das ließ mich an den friedlichen Absichten de Klerks erheblich zweifeln.
Wer gegen Verhandlungen war, profitierte von der Gewalt, die immer dann aufzuflammen schien, wenn die Regierung und der ANC sich auf ein Abkommen zubewegten. Die Gegenkräfte suchten einen Krieg zwischen ANC und Inkatha auszulösen, und ich glaube, viele Inkatha-Mitglieder waren damit einverstanden. Viele in der Regierung, einschließlich Mr. de Klerk, schauten weg oder ignorierten, was sich vor ihren Augen abspielte. Wir hatten keinen Zweifel, daß Männer auf den höchsten Ebenen der Polizei und der Sicherheitskräfte die »dritte Kraft« unterstützten. Dieser Verdacht bestätigte sich später durch Zeitungsberichte, denen zufolge die südafrikanische Polizei insgeheim die Inkatha mit Geldmitteln versorgt hatte.
Als die Gewalt sich weiter hochschraubte, überkamen mich Bedenken hinsichtlich der Aufgabe des bewaffneten Kampfes. Viele Leute im ANC wurden ungeduldig, und in einer Pressekonferenz im September erklärte ich, die anhaltenden Gewalttätigkeiten könnten es notwendig machen, wieder zu den Waffen zu greifen. Die Lage sah höchst bedrohlich aus, und jedes Einverständnis, das mit der Regierung erreicht war, schien hinfällig zu sein.
Oliver kehrte im Dezember 1990 nach Südafrika zurück, nachdem er drei Jahrzehnte fern seines Heimatlandes im Exil verbracht hatte. Es war wundervoll, ihn wieder um uns zu haben. Er kam zu einer Beratungskonferenz des ANC in Johannesburg, an der sich über 1500 Delegierte aus 45 verschiedenen Regionen im In- und Ausland beteiligten.
Auf dem Treffen sprach ich in schuldiger Hochachtung von Oliver als dem Mann, der den ANC während seiner schwärzesten Stunden geleitet und die Flamme niemals hat verlöschen lassen. Nun habe er uns an das Ufer einer Zukunft geführt, die hell und hoffnungsfroh aufscheine. Während der 27 Jahre meiner
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