Der lange Weg zur Freiheit
Wenngleich der MK nicht aktiv war, so hatte doch die Aura des bewaffneten Kampfes für viele Menschen eine wichtige Bedeutung.
Auch wenn er nur als rhetorisches Mittel benutzt wurde, so war der bewaffnete Kampf doch ein Hinweis darauf, daß wir den Feind aktiv bekämpften. Infolgedessen hatte er eine Popularität, die zu dem, was er auf dem Schlachtfeld erreicht hatte, in keinem Verhältnis stand.
Am 6. August unterzeichneten der ANC und die Regierung in Pretoria ein Papier, das als »Pretoria Minute« bekannt wurde und mit dem wir einwilligten, auf den bewaffneten Kampf zu verzichten. Wieder und wieder erklärte ich unseren Anhängern: Wir haben die bewaffnete Aktion aufgegeben, aber nicht den bewaffneten Kampf beendet. Das Abkommen setzte auch Zieldaten für die Freilassung politischer Gefangener und für die Garantie bestimmter Formen der Straffreiheit fest. Die Verhandlungen über die Straffreiheit sollten im Mai 1991 abgeschlossen sein. Die Regierung willigte auch ein, den Internal Security Act (Gesetz zur inneren Sicherheit) zu überprüfen.
Von all den Themen, die den Friedensprozeß behinderten, war keines so verheerend und frustrierend wie die Eskalation von Gewalt im Lande. Wir hatten alle gehofft, die Gewalt würde abnehmen, sobald Verhandlungen in Gang gekommen seien. Doch tatsächlich geschah das Gegenteil. Polizei und Sicherheitskräfte nahmen nur wenige Verhaftungen vor. Die Leute in den Townships beschuldigten sie, die Gewalt zu unterstützen und anzuheizen. Mir wurde immer deutlicher, daß auf seiten der Sicherheitskräfte ein stillschweigendes Einverständnis bestand. Viele der Vorfälle zeigten mir, daß die Polizei, statt die Gewalt einzudämmen, sie schürte.
In den nächsten Monaten besuchte ich Townships des von Gewalttätigkeiten heimgesuchten Vaal Triangle südlich von Johannesburg und suchte verwundete Menschen und trauernde Familien zu trösten. Immer wieder hörte ich die gleiche Geschichte: Polizei und Streitkräfte destabilisierten das Gebiet. Man erzählte mir, an einem Tag konfisziere die Polizei Waffen in einem Gebiet, und am nächsten Tag griffen Inkatha-Kräfte unsere Leute mit genau diesen gestohlenen Waffen an. Uns kamen Geschichten von Polizisten zu Ohren, die Inkatha-Mitglieder zu ihren Treffen eskortierten und bei ihren Angriffen begleiteten.
Im September erklärte ich in einer Rede, hinter der Gewalt verberge sich eine steuernde Hand, und ich äußerte den Verdacht, es gäbe eine geheimnisvolle »dritte Kraft«, die sich aus Überläufern aus den Reihen der Sicherheitskräfte zusammensetze und die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen suche. Ich konnte nicht sagen, wer die Mitglieder der »dritten Kraft« waren, doch ich war sicher, daß sie existierte und daß sie zum Schaden des ANC und des Befreiungskampfes mörderisch effektiv war.
Zu diesem Schluß kam ich, nachdem ich selbst in zwei besondere Zwischenfälle verwickelt worden war. Im Juli 1990 erhielt der ANC Informationen, nach denen Heimbewohner, die der Inkatha-Friedenspartei angehörten, für den 22. Juli einen Großangriff auf ANC-Mitglieder der Township Sebokeng im Vaal Triangle planten. Über unsere Anwälte gaben wir dem Minister für Recht und Ordnung, dem Leiter der obersten Polizeibehörde und dem Leiter der Regionalpolizei Kenntnis von dem bevorstehenden Angriff und forderten sie dringend auf, die geeigneten Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wir verlangten von der Polizei, die bewaffneten Inkatha-Mitglieder daran zu hindern, die Township zu betreten und sich an einer Inkatha-Demonstration zu beteiligen.
Am 22. Juli fuhren Busse mit bewaffneten Inkatha-Mitgliedern, begleitet von Polizeifahrzeugen, am hellichten Tage nach Sebokeng hinein. Es wurde eine Demonstration veranstaltet, nach der die bewaffneten Männer außer Rand und Band gerieten und in einem gräßlichen Gemetzel annähernd 30 Leute abschlachteten. Ich besuchte das Gebiet am nächsten Tag und war Zeuge von Szenen, die ich nie zuvor gesehen hatte und hoffe, niemals wieder zu sehen. In der Leichenhalle lagen die Körper von Menschen, die zu Tode gehackt worden waren; einer Frau waren mit einer Machete beide Brüste abgeschnitten worden. Wer immer diese Killer waren, es waren Bestien.
Ich forderte für den folgenden Tag ein Treffen mit Mr. de Klerk. Als ich ihm gegenüberstand, verlangte ich wütend eine Erklärung. »Sie sind vorab gewarnt worden«, erklärte ich ihm, »und haben doch nichts unternommen. Warum dies? Warum hat es keine
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