Der lange Weg zur Freiheit
niemals definiert wurde, aber in der Praxis eine Übereinkunft zwischen Regierung, ANC und einer Mehrheit der anderen Parteien bedeutete.
Der erste Tag von CODESA verlief ohne besondere Ereignisse, bis er sich dem Ende näherte. Am Abend vor der Versammlung hatte ich mit Mr. de Klerk bis nach 20 Uhr am Telefon verhandelt. Mr. de Klerk fragte mich, ob ich einverstanden sei, wenn er am nächsten Tag der letzte Redner wäre. Obwohl ich ursprünglich die Schlußbemerkungen abgeben sollte, erklärte ich ihm, ich würde die Angelegenheit im Nationalen Exekutivkomitee zur Sprache bringen. Das tat ich auch an jenem Abend, und trotz der Zweifel, die im Komitee aufkamen, konnte ich die Mitglieder bewegen, Mr. de Klerk das letzte Wort einzuräumen. Ich betrachtete die Frage nicht als entscheidend, und so wollte ich Mr. de Klerk gern den Gefallen tun.
Am Ende der Sitzung schien alles in Ordnung zu sein. Ich betonte die Wichtigkeit der Gespräche, und anschließend sprach Mr. de Klerk. Er unterstrich die historische Bedeutung des Ereignisses und wies auf die Notwendigkeit hin, das Mißtrauen unter den Beteiligten zu überwinden. Doch dann leistete sich de Klerk eine seltsame Sache. Er fing an, den ANC anzugreifen, weil er sich nicht an Vereinbarungen halte, die er mit der Regierung getroffen habe. Er sprach zu uns wie ein Schulmeister, der ungehorsame Kinder ermahnt. Er tadelte den ANC, weil er geheime Waffenlager nicht angegeben habe, und warf uns vor, eine »geheime Armee« zu unterhalten, die Umkhonto We Sizwe, und damit das Nationale Friedensabkommen vom September 1991 verletzt zu haben. In unbeherrschten Worten stellte er die Frage, ob der ANC wohl so ehrenhaft sei, an Vereinbarungen festzuhalten, die er unterzeichnet habe.
Das war mehr, als ich tolerieren konnte, und ich wollte verdammt sein, wenn ich Mr. de Klerk gestattete, das letzte Wort zu haben. Als er am Ende war, sollte die Versammlung eigentlich geschlossen werden. Doch im Saal war es sehr still geworden. Statt die Sitzung zu beenden, schritt ich zum Podium. Ich konnte de Klerks Bemerkungen nicht unerwidert lassen. Meine Stimme verriet meinen Ärger.
»Über das heutige Verhalten von Mr. de Klerk bin ich sehr bestürzt. Er hat den ANC angegriffen und ist dabei alles andere als aufrichtig gewesen. Selbst der Kopf einer illegitimen, diskreditierten Minderheitsregierung wie die seine hat sich an gewisse moralische Normen zu halten. Gerade weil er der Kopf eines solch diskreditierten Regimes ist, ist es unentschuldbar, daß er sich nicht an moralische Normen hält. Wenn ein Mann an einer Konferenz wie dieser teilnehmen und die Art von Politik betreiben kann, die er betrieben hat, dann möchten nicht sehr viele Menschen mit einem solchen Mann zu tun haben.
Die Mitglieder der Regierung haben uns gebeten, ihn als letzten reden zu lassen. Ihnen war sehr daran gelegen, hier das letzte Wort zu haben. Nun ist klar, warum sie darauf so erpicht waren. Er hat seine Position mißbraucht, weil er hoffte, ich würde nicht darauf antworten. Er hat sich gründlich geirrt. Ich antworte jetzt.«
Es sei unannehmbar, erklärte ich, daß Mr. de Klerk in einer solchen Sprache zu uns gesprochen habe. Ich wiederholte, der ANC und nicht die Regierung sei es gewesen, der die Initiative für Friedensgespräche ergriffen habe, und es sei die Regierung gewesen, nicht der ANC, die immer wieder gegen ihre Vereinbarungen verstoßen habe. Ich hatte Mr. de Klerk zuvor erklärt, es sei nicht sinnvoll, den ANC öffentlich anzugreifen, doch er fuhr damit fort. Ich betonte, wir hätten unseren bewaffneten Kampf eingestellt, um unsere Bereitschaft zum Frieden zu zeigen. Dennoch stecke die Regierung mit denen unter einer Decke, die Krieg führten. Wir erklärten ihm, daß wir unsere Waffen erst dann übergeben würden, wenn wir an der Regierung beteiligt seien, die jene Waffen einsammelt.
Es sei offenkundig, fügte ich hinzu, daß die Regierung ein doppeltes Spiel treibe. Sie benutze die Verhandlungen nicht, um Frieden zu erreichen, sondern um ihre eigenen unwichtigen politischen Gewinne einzustreichen. Selbst während der Verhandlungen finanziere sie heimlich verdeckte Organisationen, die Gewalttaten gegen uns begingen. Ich erwähnte die kürzlichen Enthüllungen über Millionenbeträge an die Inkatha, von denen Mr. de Klerk vorgebe, nichts gewußt zu haben. Ich erklärte, wenn ein Mann in seiner Position »nichts über solche Dinge weiß, dann ist er als Regierungschef nicht
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