Der lange Weg zur Freiheit
war Matthew Gonive der bekannteste. Diese Enthüllungen summierten sich zu den jüngsten Erkenntnissen, daß die Polizei in Mordtaten in Natal verwickelt war, und zu dem Verdacht, daß das Ministerium für militärische Nachrichtendienste verdeckte Operationen gegen den ANC durchführte. Diese beiden zusammentreffenden Skandale unterminierten die Glaubwürdigkeit der Regierung und stärkten unsere Position.
In den Monaten zuvor hatte die Regierung zahlreiche Vorschläge unterbreitet, die zurückgewiesen wurden. Die meisten, wie etwa der Gedanke einer rotierenden Präsidentschaft, sollten ihre Macht sichern. Doch in Verhandlungen während der letzten Monate hatten die Abordnungen des ANC und der Regierung ein Abkommen entworfen, das eine Übergangsperiode zu einem völlig demokratischen Südafrika in zwei Stufen vorsah. Auf der ersten Stufe sollte ein aus vielen Parteien gebildeter »Übergangs-Exekutivrat« von den CODESA-Delegationen benannt werden; dieses Gremium sollte als zeitweilige Regierung amtieren, um das »Spielfeld« für alle Parteien zu »ebnen« und eine Interimsverfassung zu erstellen. Auf der zweiten Stufe sollten allgemeine Wahlen für eine konstituierende Nationalversammlung und Legislative abgehalten werden, und anschließend sollten alle Parteien, die fünf Prozent und mehr an Stimmen auf sich vereinten, Vertreter ins Kabinett entsenden. Die Hälfte der Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung sollte auf nationaler Basis gewählt werden, die andere auf regionaler, und die Versammlung sollte ermächtigt werden, sowohl eine neue Verfassung zu entwerfen wie auch Gesetze zu erlassen. Eine unabhängige Kommission sollte der Wahl vorstehen und sicherstellen, daß sie frei und fair verliefe.
Dennoch gab es eine Reihe von Fragen, in denen der ANC und die Regierung keine Übereinkunft erzielen konnten, wie etwa die Frage, wie hoch bei Entscheidungen über Verfassungsfragen und über ein Grundgesetz der notwendige Prozentsatz an Stimmen sein sollte. Einen Tag vor CODESA 2 schlug die Regierung eine zweite Körperschaft vor, einen Senat, der sich aus regionalen Vertretern zusammensetzen und so ein Minderheitsveto sicherstellen sollte. Ferner schlug die Regierung vor, sich zunächst, vor allem anderen, auf eine Interimsverfassung zu einigen, die zu entwerfen Monate dauern würde.
All diese Verhandlungen wurden hinter der Bühne geführt, und zu dem Zeitpunkt, als CODESA 2 eröffnet werden sollte, nämlich am 15. Mai 1992, sahen die Aussichten für eine Einigung düster aus. Die Fragen, über die wir uns nicht einigten, bedrohten alles andere, über das wir Einigkeit erzielt hatten. Mr. de Klerk und mir war es nicht gelungen, über die meisten der wichtigsten Fragen einen Konsens herbeizuführen. Die Regierung schien willens, unbegrenzt zu warten; sie dachte wohl, je länger wir warteten, um so mehr Unterstützung würden wir verlieren.
Am Ende des ersten Tages hatte sich die Versammlung festgefahren. Zu diesem Zeitpunkt forderten die beiden Richter, die dem Gespräch vorsaßen, Mr. de Klerk und mich auf, wir sollten uns am Abend zusammensetzen und versuchen, einen Kompromiß zu finden. Wir trafen uns an jenem Abend beim Kaffee, und obwohl wir keinen Weg aus der Sackgasse fanden, waren wir uns einig, daß die Verhandlungen nicht scheitern müßten. »Ganz Südafrika und die Welt schaut auf Sie und mich«, erklärte ich Mr. de Klerk. »Lassen Sie uns den Friedensprozeß retten. Lassen Sie uns zu irgendeiner Art von Einigung kommen. Lassen Sie uns wenigstens ein Datum für die nächste Gesprächsrunde festlegen.« Wir beschlossen, am nächsten Tag im Geiste konstruktiver Kompromißbereitschaft zu sprechen.
Am nächsten Nachmittag sprachen wir in umgekehrter Reihenfolge als der, auf die wir uns vor CODESA 1 geeinigt hatten: Mr. de Klerk als erster, ich als letzter. In seinen Erklärungen beharrte Mr. de Klerk darauf, die National Party suche kein »Minderheitsveto«, sondern ihm sei an einem System von »Prüfung und Abwägung« gelegen, so daß die Mehrheit nicht in der Lage sei, »ihre Macht zu mißbrauchen«. Obwohl mir dies wie eine klare Ablehnung des Gedankens der Mehrheitsregierung vorkam, sagte ich in meiner Rede nach der von Mr. de Klerk lediglich, wir sollten in konstruktiver Weise zusammenarbeiten und die Spannungen im Zusammenhang mit den Verhandlungen abbauen.
Doch trotz unserer Versuche, der Angelegenheit einen positiven Anstrich zu geben, kam die Versammlung am zweiten Tag zum Stillstand.
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