Der lange Weg zur Freiheit
dann. Justice blieb stumm.
»Du wirst niemals in einer Mine beschäftigt werden, die ich leite!« schrie Piliso. »Und jetzt geh mir aus den Augen!« Justice schwenkte Wellbeloveds Brief. »Mich schert kein gottverdammter Brief!« sagte Piliso. Ich blickte zu dem weißen Manager und hoffte, daß er sich über Piliso hinwegsetzen werde, doch er war stumm wie eine Statue und schien von Piliso genauso eingeschüchtert zu sein wie wir. Wir wußten nicht, was wir Piliso entgegnen sollten, und verließen das Büro mit hängenden Köpfen, wobei wir uns noch mehr gedemütigt fühlten als zuvor.
Das Glück war gegen uns. Wir waren in Johannesburg, doch ohne Jobs, ohne Zukunftsaussichten und vor allem ohne irgendein Quartier. Justice kannte mehrere Familien in Johannesburg, und er machte sich auf in die Stadt, um eine Unterkunft für uns zu finden. Inzwischen sollte ich unseren Koffer holen, der sich noch bei Piliso befand, und mich später in George Goch, einer kleinen Township im südlichen Johannesburg, mit ihm treffen.
Nachdem ich unseren Koffer geholt hatte, bat ich Bikitsha, den ich von daheim kannte, mir dabei zu helfen, das Gepäckstück zum Vordertor der Mine zu tragen. Am Tor stoppte uns ein Wächter und sagte, er müsse den Koffer durchsuchen. Mein Freund protestierte, wir hätten nichts Verbotenes im Koffer, doch der Wachmann erklärte, die Durchsuchung sei Routine. Wir gaben ihm den Koffer, den er sich oberflächlich ansah. Er berührte nicht einmal die Kleidung. Als er den Kofferdeckel wieder schloß, sagte mein Freund: »Wozu die Mühe? Ich hab Ihnen doch gesagt, daß da nichts drin ist.« Dies provozierte den Wachmann. Er begann mit einer erneuten Durchsuchung, diesmal außerordentlich pedantisch. Ich wurde zunehmend nervös, als er jedes Fach öffnete und jede Tasche durchforschte. Schließlich gelangte er bis zum Boden des Koffers, und dort, ganz unten, in irgendein Kleidungsstück gewickelt, fand er, wovon ich gehofft hatte, daß er es nicht finden würde: einen Revolver.
Er wandte sich zu meinem Freund und sagte: »Du bist verhaftet.« Dann blies er in seine Trillerpfeife, die einen kleinen Trupp von Wachleuten herbeirief. Mein Freund musterte mich mit einer Mischung aus Bestürzung und Verwirrung, während man ihn davonführte zur lokalen Polizeistation. Ich folgte in gewissem Abstand und überlegte, welche Möglichkeiten ich hätte. Die Schußwaffe, ein alter Revolver, war Eigentum meines Vaters gewesen, der sie mir bei seinem Tod hinterlassen hatte. Ich hatte sie nie benutzt, sondern nur als Vorsichtsmaßnahme mit in die Stadt genommen.
Klar, daß ich meinen Freund nicht an meiner Statt die Schuld auf sich nehmen lassen konnte. Kurz nachdem er die Polizeistation betreten hatte, ging auch ich hinein und fragte nach dem diensthabenden Offizier. Man brachte mich zu ihm, und ich erklärte so direkt und geradeheraus, wie es mir möglich war: »Sir, das ist meine Waffe, die im Koffer meines Freundes gefunden wurde. Ich habe sie von meinem Vater in der Transkei geerbt und mit hierhergebracht, weil ich Angst vor Gangstern hatte.« Dann sagte ich, ich sei ein Student aus Fort Hare und hielte mich nur vorübergehend in Johannesburg auf. Der diensthabende Offizier schien durch meine Erklärung ein wenig besänftigt zu werden, und er erklärte, er wolle meinen Freund sofort auf freien Fuß setzen. Mich müsse er allerdings wegen Waffenbesitz belangen, doch werde er mich nicht verhaften. Gleich am Montagmorgen solle ich vor Gericht erscheinen, um mich zu verantworten. Ich war dankbar und versicherte ihm, daß ich am Montag bestimmt vor Gericht erscheinen würde. Das tat ich dann auch und wurde nur mit einer nominellen Geldstrafe belegt.
In der Zwischenzeit war es mir gelungen, bei meinem Vetter Garlick Mbekeni in George Goch unterzukommen. Garlick verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er Kleidung und ähnliches verhökerte; er hatte ein kleines schachtelartiges Haus. Er war ein freundlicher, schüchterner Mann, und ich erzählte ihm, mein eigentliches Bestreben sei es, Rechtsanwalt zu werden. Er lobte mich für meinen Ehrgeiz und sagte, er werde darüber nachdenken.
Einige Tage später sagte Garlick zu mir, er werde mich zu einem, wie er sich ausdrückte, »unserer besten Leute in Johannesburg« bringen. Wir fuhren mit der Bahn zum Büro eines Immobilienhändlers in der Market Street, einer wimmelnden und verkehrsdichten Durchgangsstraße mit ächzenden Trams voller Fahrgäste, Straßenverkäufern
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