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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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sich für den Weg der traditionellen Führerschaft entschieden. Er war Anwärter auf die Nachfolge des Oberhauptes von Emigrant Thembuland, des westlichen Teils der Transkei, und während meines Besuches bei ihm versuchte Daliwonga, mich zur Rückkehr nach Umtata zu bewegen, nachdem ich mich als Rechtsanwalt qualifiziert haben würde. »Warum willst du in Johannesburg bleiben?« fragte er. »Du wirst hier mehr gebraucht.«
    Das war ein richtiger Hinweis, denn in Transvaal gab es zweifellos mehr afrikanische Rechtsanwälte als in der Transkei. Ich erklärte Daliwonga, für eine solche Entscheidung sei es noch zu früh. Doch ich wußte bereits, daß ich mich auf eine andere Art von Verpflichtung zubewegte. Aufgrund meiner Freundschaft mit Gaur und Walter begann ich zu erkennen, daß ich eine Pflicht gegenüber meinem ganzen Volk hatte, nicht nur gegenüber einem bestimmten Teil oder einer Gruppe. Ich hatte das Gefühl, daß mich alle Strömungen in meinem Leben von der Transkei davontrugen, auf das zu, was das Zentrum zu sein schien, ein Ort, wo regionale und ethnische Loyalitäten zurückzutreten hatten gegenüber dem gemeinsamen Ziel.
    Die Graduierung in Fort Hare bot einen Augenblick der Introspektion und Reflexion. Am nachhaltigsten bewegte mich die Diskrepanz zwischen meinen einstigen Vorstellungen und meinen tatsächlichen Erfahrungen. Ich hatte die Vorstellung aufgegeben, Graduierte würden automatisch zu Führern und meine Verbindung zum Königlichen Haus der Thembu würde mir Respekt verschaffen. Eine erfolgreiche Karriere und ein ordentliches Einkommen waren nicht länger meine letzten Ziele. Ich fühlte mich hingezogen zur Welt der Politik, weil ich mit meinen alten Vorstellungen nicht zufrieden war.
    In Johannesburg bewegte ich mich in Kreisen, in denen gesunder Menschenverstand und praktische Erfahrung wichtiger waren als hohe akademische Qualifikationen. Selbst als ich meinen akademischen Grad empfing, war mir klar, daß kaum etwas von dem, was ich an der Universität gelernt hatte, in meiner neuen Umgebung relevant zu sein schien. An der Universität waren Lehrer zurückgescheut vor Themen wie rassische Unterdrückung, Mangel an Chancen für Afrikaner und das Bündel von Gesetzen und Vorschriften, die den schwarzen Mann unterjochten. Doch in Johannesburg fand ich mich mit all diesen Dingen jeden Tag konfrontiert. Niemand hatte mir jemals gesagt, wie man das Unheil rassischer Vorurteile beseitigen sollte, und so mußte ich durch Versuch und Irrtum lernen.
     
     
    Nach meiner Rückkehr nach Johannesburg Anfang 1943 schrieb ich mich an der University of the Witwatersrand ein, um den LL. B. zu machen, den Bachelor of Laws, die akademische Vorstufe für den Rechtsanwalt. Die Universität, allgemein als »Wits« bekannt, liegt in Braamfontein im Norden von Zentraljohannesburg, und sie gilt vielen als beste englischsprachige Universität in Südafrika.
    In der Anwaltskanzlei kam ich erstmals zwar regelmäßig in Kontakt mit Weißen, doch die Universität machte mich mit einer Gruppe Weißer meines eigenen Alters bekannt. In Fort Hare hatten wir gelegentliche Kontakte zu weißen Studenten von der Rhodes University in Grahamstown gehabt, doch an der »Wits« hatte ich mit weißen Studenten gemeinsame Vorlesungen. Dies war neu für mich, wie auch für die weißen Studenten, denn ich war in der juristischen Fakultät der einzige Afrikaner.
    Die englischsprachigen Universitäten Südafrikas waren wichtige Pflegestätten liberaler Wertvorstellungen. Es spricht für diese Institutionen, daß an ihnen Schwarze studieren konnten. An Universitäten für Afrikaans war das ein Ding der Unmöglichkeit.
    Trotz ihrer liberalen Wertvorstellungen fühlte ich mich an der Universität zu keiner Zeit ganz wohl. Immer der einzige Afrikaner zu sein, mit Ausnahme einfacher Arbeiter, bestenfalls als Kuriosität und schlimmstenfalls als Eindringling betrachtet zu werden ist nicht gerade angenehm. Ich war auf der Hut und erfuhr Großzügigkeit und Feindseligkeit. Obwohl ich einige sympathische Weiße kennenlernte, die meine Freunde und dann meine Kollegen wurden, waren doch die meisten Weißen an der »Wits« weder liberal noch »farbenblind«. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages ein paar Minuten zu spät zu einer Vorlesung kam und mich neben Sarel Tighy setzte, einen Kommilitonen, der später Parlamentsmitglied für die United Party wurde. Obwohl die Vorlesung bereits begonnen hatte und nur wenige Sitze frei waren, nahm er

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