Der lange Weg zur Freiheit
ANC.
Lembede erklärte, Afrika sei der Kontinent des schwarzen Mannes, und es sei an den Afrikanern, sich zu behaupten und zurückzufordern, was rechtmäßig ihr Eigentum war. Er haßte den Gedanken des schwarzen Minderwertigkeitskomplexes und geißelte das, was er die Anbetung und Vergötzung westlicher Menschen und Ideen nannte. Der Minderwertigkeitskomplex, betonte er, sei das größte Hindernis der Befreiung. Er betonte, der Afrikaner könne, wann immer er Gelegenheit erhalte, sich im gleichen Maße entwickeln wie der weiße Mann. Als Beispiele nannte er afrikanische Heroen wie Marcus Garvey, W. E. B. Du Bois und Haile Selassie. »Die Farbe meiner Haut ist schön«, sagte er, »wie die schwarze Erde von Mutter Afrika.« Er glaubte, Schwarze müßten zuvor ihr Selbstbild verbessern, ehe sie eine erfolgreiche Massenaktion in die Wege leiten könnten. Er predigte Selbstvertrauen und Selbstbestimmung und nannte seine Philosophie Afrikanismus. Damals stand für uns fest, daß er eines Tages den ANC führen würde.
Lembede erklärte, unter den Menschen rege sich ein neuer Geist, ethnische Differenzen schwänden dahin, junge Männer und Frauen betrachteten sich zuvorderst und vor allem als Afrikaner und nicht als Xhosas, Ndebeles oder Tswanas. Lembede, dessen Vater ein Zulu-Bauer aus Natal war, der weder lesen noch schreiben konnte, war am Adam’s College, einer Einrichtung der amerikanischen Board of Missions, zum Lehrer ausgebildet worden. Er hatte mehrere Jahre lang im Oranje-Freistaat unterrichtet, hatte Afrikaans gelernt und den Nationalismus der Afrikander als Prototyp des afrikanischen Nationalismus anzusehen begonnen.
Lembede schrieb später in der in Natal erscheinenden Zeitung Inkundla ya Bantu:
»Die Geschichte der modernen Zeit ist die Geschichte des Nationalismus. Erprobt wurde der Nationalismus im Kampf der Völker und im Feuer der Schlachten, und er erwies sich als das einzige Gegenmittel gegen Fremdherrschaft und Imperialismus. Aus diesem Grund versuchen die großen imperialistischen Mächte mit allem Nachdruck, nationalistische Tendenzen bei ihren fremdstämmigen Untertanen zu entmutigen und auszulöschen; zu diesem Zweck werden freizügig riesige Geldsummen für die Propaganda gegen den Nationalismus ausgegeben, der abgetan wird als ›engstirnig‹, ›barbarisch‹, ›unkultiviert‹, ›teuflisch‹ etc. Manche der fremdstämmigen Untertanen fallen der sinistren Propaganda zum Opfer und werden folgerichtig zu Werkzeugen oder Instrumenten des Imperialismus. Für ihre willkommenen Dienste werden sie von der imperialistischen Macht hochgepriesen und mit Adjektiven überhäuft wie ›kultiviert‹, ›liberal‹, ›progressiv‹, ›tolerant‹ etc.«
Lembedes Ansichten lösten in mir einen Widerhall aus. Auch ich war empfänglich gewesen für den paternalistischen Kolonialismus der Briten und für die Verlockung, von den Weißen als »kultiviert«, »progressiv« und »zivilisiert« angesehen zu werden. Ich war bereits auf dem Weg, hineingezogen zu werden in die schwarze Elite, die Großbritannien in Afrika zu schaffen versuchte. Das hatten alle, vom Regenten bis zu Mr. Sidelsky, für mich gewollt. Es war jedoch eine Illusion. Genau wie Lembede hielt ich den militanten afrikanischen Nationalismus für ein Gegengift.
Lembedes Freund und Partner war Peter Mda, besser bekannt als A. P. Während Lembede zur Ungenauigkeit und auch zur Geschwätzigkeit neigte, war Mda kontrolliert und exakt. Lembede konnte vage und mystisch sein, Mda war spezifisch und wissenschaftlich. Mdas praktische Einstellung war die perfekte Folie zu Lembedes Idealismus.
Auch andere junge Männer dachten in diesen Bahnen, und wir pflegten uns alle zu treffen, um diese Ideen zu diskutieren. Außer Lembede und Mda gehörten zu diesen Männern: Walter Sisulu, Oliver Tambo, Dr. Lionel Majombozi, Victor Mbobo, mein früherer Lehrer in Healdtown, William Nkomo, ein Medizinstudent und Mitglied der KP, Jordan Ngubane, Journalist aus Natal, der für Inkundla wie auch für die Bantu World arbeitete, die am meisten verkaufte afrikanische Zeitung, David Bobape, ANC-Sekretär von Transvaal und KP-Mitglied, und viele andere. Viele hatten, vielleicht zu Unrecht, das Gefühl, der ANC als ganzer sei das Reservat einer müden, unmilitanten, privilegierten afrikanischen Elite geworden, der mehr daran lag, ihre eigenen Rechte zu schützen als die der Massen. Nach allgemeiner Ansicht müßten Aktionen in die Wege geleitet werden, und Dr. Lionel
Weitere Kostenlose Bücher