Der lange Weg zur Freiheit
und Geld gleichbedeutend sind mit Glück. Dafür müssen Sie kämpfen: Geld und nichts als Geld. Wenn Sie erst genug Bargeld haben, gibt es nichts mehr, was Sie im Leben wollen.«
William Smith war ein Farbiger, der mit afrikanischem Immobilienhandel zu tun hatte und sich oft in der Kanzlei aufhielt. Er war ein Veteran der ICU (Industrial and Commercial Workers Union), Südafrikas erster, von Clements Kadalie gegründeten Gewerkschaft, doch seit seinen Gewerkschaftstagen hatten sich seine Ansichten dramatisch geändert. »Nelson, ich war lange in der Politik tätig«, sagte er, »und ich bedaure es. Ich habe die besten Jahre meines Lebens mit nutzlosen Versuchen vergeudet, eitlen und egoistischen Männern zu dienen, die ihre Interessen über die jener Menschen stellen, denen zu helfen sie vorgaben. Politik ist meiner Erfahrung nach nichts anderes als Gaunerei, um den Armen Geld zu stehlen.«
Mr. Sidelsky beteiligte sich nicht an diesen Diskussionen. Er schien politische Debatten fast genauso für Zeitverschwendung zu halten wie politische Arbeit. Wieder und wieder schärfte er mir ein, die Politik zu meiden. Er warnte mich vor Gaur und vor Walter Sisulu. »Diese Männer werden Ihren Geist vergiften«, sagte er, und eines Tages fragte er mich: »Sie wollen doch Rechtsanwalt werden, nicht wahr?« Ich bejahte. »Und sind Sie Rechtsanwalt, wollen Sie ein erfolgreicher sein, nicht wahr?« Wieder bejahte ich. »Nun, falls Sie in die Politik gehen«, sagte er, »wird Ihre Praxis darunter leiden. Sie werden Ärger bekommen mit den Behörden, die bei Ihrer Arbeit oft Ihre Verbündeten sind. Sie werden alle Ihre Klienten verlieren, Sie werden bankrott gehen, Sie werden Ihre Familie zerstören, und Sie werden im Gefängnis landen. Das alles geschieht, wenn Sie in die Politik gehen.«
Ich hörte diesen Männern zu und wog ihre Ansichten sorgfältig gegeneinander ab. Alle ihre Argumente hatten etwas für sich. Ich wollte mich zwar bereits irgendwie politisch betätigen, doch ich wußte nicht, was oder wie, und so ging ich auf Seitenwegen dahin, unsicher, was ich tun sollte.
Was meinen Beruf anging, so tat Gaur mehr für mich, als mir nur Ratschläge zu erteilen. Eines Tages, es war Anfang 1943, und ich war weniger als zwei Jahre in der Kanzlei, nahm Gaur mich beiseite und meinte: »Mein Junge, solange ich hier in der Kanzlei bin, werden die dich nie als Ausbildungsclerk anerkennen, egal ob du einen akademischen Grad hast oder nicht.« Ich war verblüfft und sagte Gaur, das könne nicht sein, denn er selbst sei ja nicht einmal in der Ausbildung zum Rechtsanwalt. »Das macht nichts, Nelson. Sie werden sagen, wir haben ja Gaur, der kann unsern Leuten das Gesetz erklären, wozu brauchen wir da noch jemanden? Gaur bringt der Kanzlei ja bereits Klienten. Aber das werden sie dir nicht ins Gesicht sagen, sie werden’s einfach hinauszögern und verschleppen. Für die Zukunft unseres Kampfes in diesem Land ist es wichtig, daß du Rechtsanwalt wirst, und deshalb werde ich aus der Kanzlei ausscheiden und meine eigene Immobilienagentur aufmachen. Wenn ich fort bin, haben sie gar keine andere Wahl, als dich zur Ausbildung anzunehmen.«
Ich bestürmte ihn, nicht zu kündigen, doch er blieb unerschütterlich. Wenig später reichte er bei Mr. Sidelsky seine Kündigung ein, und wie er vorausgesagt hatte, erhielt ich von Mr. Sidelsky meine Anerkennung. Ich kann nicht sagen, ob Gaurs Abwesenheit überhaupt etwas damit zu tun hatte, aber seine Kündigung war ein weiteres Beispiel für seine Großmut.
Anfang 1943 kehrte ich, nach bestandener Prüfung, zwecks meiner Graduierung nach Fort Hare zurück. Vor der Abreise zur Universität brauchte ich nur noch einen ordentlichen Anzug. Das Geld dafür mußte ich mir von Walter Sisulu leihen. Als ich seinerzeit nach Fort Hare gegangen war, hatte mir der Regent einen neuen Anzug gekauft, und wenn ich jetzt hinreiste, würde ich wieder einen neuen Anzug haben. Die akademische Kleidung lieh ich mir von Randall Peteni aus, einem Freund und Kommilitonen.
Mein Neffe, K. D. Mantanzima, einige Jahre zuvor graduiert, fuhr meine Mutter und No-England, die Witwe des Regenten, zur Zeremonie. Ich war sehr zufrieden, meine Mutter dabeizuhaben, doch No-Englands Anwesenheit ließ den Eindruck entstehen, als werde das Ereignis durch den Regenten persönlich gesegnet.
Nach der Graduierung verbrachte ich einige Tage bei Daliwonga (K. D.s Clan-Name, mit dem ich ihn anredete) in seinem Heim in Qamata. Daliwonga hatte
Weitere Kostenlose Bücher