Der lange Weg zur Freiheit
wirklich demokratischen Regierungsform. Unser Manifest verkündete: »Wir glauben, daß die nationale Befreiung der Afrikaner von den Afrikanern selbst erreicht werden wird… Die Kongreß-Jugendliga muß das Gehirntrust und das Kraftwerk des Geistes des afrikanischen Nationalismus sein.«
Das Manifest wies den Gedanken der Treuhänderschaft entschieden zurück, den Gedanken, daß der weißen Regierung von Südafrika die Interessen der Afrikaner irgendwie am Herzen liegen könnten. Wir verwiesen auf die lähmende, anti-afrikanische Gesetzgebung der vergangenen vierzig Jahre, angefangen mit dem Land Act von 1913, der die Schwarzen um 87 Prozent des Territoriums im Land ihrer Geburt gebracht hatte, über den Urban Areas Act von 1923, der übervölkerte afrikanische Slums begründete, die man beschönigend »Native Locations« nannte, den Color Bar Act von 1926, der Afrikanern die Ausübung von Fachberufen untersagte, der Native Administration Act von 1927, der anstelle der Höchsten Häuptlinge die britische Krone zum Obersten Herrscher über alle afrikanischen Gebiete machte, bis hin schließlich, 1936, zum Natives Representative Act, der Afrikaner am Kap des allgemeinen Wahlrechts beraubte und damit die Illusion zerstörte, die Weißen könnten den Afrikanern erlauben, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen.
Wir waren äußerst vorsichtig gegenüber dem Kommunismus. Das Dokument konstatierte: »Wir mögen bei fremden Ideologien Anleihen nehmen, doch wir lehnen den Gesamtimport ausländischer Ideologien nach Südafrika ab.« Dies war eine implizite Zurückweisung gegenüber der Kommunistischen Partei, die Lembede und viele andere, darunter auch ich, als eine »ausländische« betrachteten, die für die afrikanische Situation unbrauchbar sei. Lembede war der Meinung, die Kommunistische Partei werde von den Weißen dominiert, was das Selbstvertrauen und die Initiative der Afrikaner unterminiere.
An jenem Tag wurden mehrere Komitees gebildet, aber der Hauptzweck der Jugendliga war, dem ANC die Richtung zu weisen bei seinem Kampf für politische Freiheit. Obwohl ich damit übereinstimmte, war ich nervös, was meinen Beitritt zur Jugendliga betraf, und hatte Zweifel über das Ausmaß meines politischen Engagements. Neben meiner Ganztagsarbeit und meinem Teilzeitstudium, die mich voll auslasteten, blieb nur wenig Zeit für anderes übrig. Auch empfand ich eine gewisse Unsicherheit und fühlte mich politisch rückständig, im Vergleich zu Walter, Lembede und Mda. Sie waren Männer, die ihre Einstellung kannten, während ich noch ungeformt war. Mir fehlte es noch an Vertrauen zu meiner Fähigkeit als Redner, und ich fühlte mich eingeschüchtert durch die Eloquenz so vieler Mitglieder der Liga.
Lembedes Afrikanismus wurde nicht allgemein geteilt, denn seine Ideen waren geprägt von einer rassischen Exklusivität, die manche der anderen Liga-Mitglieder störte. Einige der Liga-Mitglieder meinten, ein Nationalismus, der sympathisierende Weiße einschließe, sei ein wünschenswerterer Kurs. Ich gehörte nicht dazu. Andere, darunter auch ich, meinten hingegen, wenn man Schwarzen eine multirassische Form des Kampfes anbiete, wären sie weiterhin verliebt in weiße Kultur und müßten also Opfer ihres eigenen Minderwertigkeitsgefühls bleiben. Ich war damals strikt dagegen, Kommunisten oder Weiße in die Liga aufzunehmen.
Walters Haus in Orlando war mein zweites Heim, nach der Heimat. Anfang der 40er Jahre wurde es für mehrere Monate sogar mein richtiges Heim, als ich sonst nirgends unterkam. Das Haus war immer voller Leute, und es schien dort eine permanente Diskussion über Politik stattzufinden. Albertina, Walters Frau, war ein weiser, wunderbarer Mensch und eine starke Stütze von Walters politischer Arbeit. (Bei ihrer Hochzeit meinte Anton Lembede: »Albertina, du hast einen verheirateten Mann geheiratet: Walter war lange, ehe er dich traf, mit der Politik verheiratet.«)
Im Haus der Sisulus lernte ich Evelyn Mase, meine erste Frau, kennen. Sie war ein stilles, hübsches Mädchen vom Lande, das vom Kommen und Gehen bei den Sisulus nicht übermäßig beeindruckt zu sein schien. Sie stand zusammen mit Albertina und Peter Mdas Frau Rose im General Hospital für Nicht-Europäer von Johannesburg in der Ausbildung als Krankenschwester.
Evelyn stammte aus Engcobo in der Transkei, westlich von Umtata gelegen. Ihr Vater, ein Minenarbeiter, war gestorben, als sie noch ein Kleinkind gewesen war, und ihre Mutter starb, als Evelyn
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