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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Zementboden, eine enge Küche und eine Außentoilette. Obwohl draußen Straßenlaternen standen, benutzten wir im Innern des Hauses Petroleumlampen, da die Häuser noch keinen elektrischen Strom hatten. Das Schlafzimmer war so klein, daß darin ein Doppelbett kaum Platz hatte. Die Häuser hatten die städtischen Behörden für Arbeiter gebaut, die nahe bei der Stadt sein mußten. Um die Monotonie zu mildern, legten manche Mieter kleine Gärten an oder strichen ihre Türen mit bunten Farben. Es war alles andere als großartig, doch es war mein erstes richtiges Zuhause, und ich war sehr stolz darauf. Ein Mensch ist kein Mensch, ehe er nicht ein eigenes Haus hat. Ich wußte damals nicht, daß es das einzige ganz mir gehörende Zuhause sein sollte für viele, viele Jahre.
    Der Staat hatte Evelyn und mir das Haus zugewiesen, weil wir nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt waren. In jenem Jahr wurde unser erster Sohn, Madiba Thembekile, geboren. Er erhielt meinen Clan-Namen Madiba, doch er wurde mit dem Spitznamen Thembi gerufen. Er war ein stattlicher, glücklicher Junge, von dem die meisten Leute sagten, er ähnele mehr seiner Mutter als seinem Vater. Ich hatte einen Erben in die Welt gesetzt, obgleich ich ihm damals nur wenig zu vererben hatte. Aber ich hatte den Namen Mandela und den Madiba-Clan für die Nachwelt erhalten, und das ist eine der grundlegenden Verpflichtungen eines Xhosa-Mannes.
    Endlich hatte ich so etwas wie einen festen Stützpunkt, und statt Gast in anderer Leute Häuser zu sein, hatte ich nun bald Gäste in meinem Heim. Meine Schwester Leabie kam zu uns, und ich nahm sie mit zur anderen Seite der Eisenbahnstrecke, um sie in der High School von Orlando anzumelden. In unserer Kultur haben alle Familienangehörigen Anspruch auf die Gastfreundschaft aller anderen Familienangehörigen. Die Kombination aus meiner weitverzweigten Familie und unserem neuen Haus bedeutete eine große Anzahl von Gästen.
    Ich genoß die Häuslichkeit, auch wenn mir wenig Zeit dafür blieb. Es machte mir Freude, mit Thembi zu spielen, ihn zu baden und zu füttern und mit einer kleinen Geschichte zu Bett zu bringen. Ich liebte es überhaupt, mit Kindern zu spielen und zu plaudern; dies hat stets zu den Dingen gehört, die mich besonders friedlich stimmen. Ich liebe es, mich zu Hause zu entspannen, in aller Ruhe zu lesen und dabei die süßen und würzigen Gerüche einzuatmen, die aus den kochenden Töpfen in der Küche steigen. Aber ich war nur selten zu Hause, um all diese Dinge genießen zu können.
    Gegen Ende des Jahres kam Reverend Michael Scott zu uns. Scott war ein anglikanischer Geistlicher und ein großer Kämpfer für die afrikanischen Rechte. Ein Mann namens Komo, der ein Siedler-Camp außerhalb von Johannesburg vertrat, das die Regierung auflösen wollte, hatte Scott angesprochen und ihn aufgefordert, gegen die Camp-Auflösung zu protestieren. Scott erklärte: »Wenn ich euch helfen soll, muß ich einer von euch sein«, und er begab sich zu dem Siedler-Camp, um dort eine Versammlung abzuhalten. Scotts Hütten-Stadt für die Heimatlosen war nahe einem Felshügel errichtet worden; die Bewohner hatten sie Tobruk getauft, nach der Schlacht im Nordafrika-Feldzug während des Krieges. Zuweilen nahm ich Thembi am Sonntagmorgen mit zu dem Camp, weil er gern zwischen den Felsen Verstecken spielte. Nachdem Scott seine Versammlung abgehalten hatte, stellte er fest, daß Komo Geld, das die Leute für den Kampf gegen die Auflösung des Camps spendeten, für sich behielt. Als Scott ihn zur Rede stellte, verjagte ihn Komo aus dem Camp und drohte ihn umzubringen.
    Scott suchte Zuflucht bei uns in Orlando und brachte einen afrikanischen Priester namens Diamini mit, der Frau und Kinder hatte. Unser Haus war nur winzig, und Scott schlief im Wohnzimmer, Diamini und seine Frau in einem andern Raum, während wir die Kinder alle in die Küche steckten. Reverend Scott war ein bescheidener, unaufdringlicher Mann, doch Diamini war ein wenig schwer zu nehmen. Zu den Mahlzeiten pflegte er sich über die Speisen zu beklagen. »Schaut euch das Fleisch an«, sagte er, »es ist mager und zäh, überhaupt nicht richtig gekocht. An solche Speisen bin ich nicht gewöhnt.« Scott wurde blaß bei diesen Worten und ermahnte Diamini, doch der nahm sich keineswegs zusammen. Am nächsten Abend erklärte er: »Nun, dies ist ein wenig besser als das gestrige, doch weit davon entfernt, richtig zubereitet zu sein. Mandela, weißt du eigentlich, daß deine Frau

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