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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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»ethnischen Gruppen« neu angesiedelt werden. Der von der Regierung benutzte Vorwand lautete »Slumräumung«, eine Vernebelungstaktik für die Regierungspolitik, die alle städtischen Gebiete, wo sich vorübergehend Afrikaner aufhielten, als weiße betrachtete.
    Die Regierung stand auch unter dem Druck ihrer Anhänger in den benachbarten Gebieten von Westdene und Newlands, vergleichsweise armen weißen Wohnbezirken. Die dort lebenden weißen Arbeiter waren neidisch auf manche der schönen Häuser in Sophiatown, die Schwarzen gehörten. Die Regierung wollte die Bewegungen aller Afrikaner kontrollieren, und eine solche Überwachung war weitaus schwieriger in freien städtischen Townships, wo Schwarze eigenen Grundbesitz haben und die Leute kommen und gehen konnten, wie es ihnen gefiel. Obwohl das Paßsystem noch in Kraft war, brauchte man, anders als in städtischen Siedlungen, zum Betreten einer freien Township keine spezielle Erlaubnis. Afrikaner hatten seit über 50 Jahren in Sophiatown gewohnt und Eigentum besessen, jetzt plante die Regierung gnadenlos die Umsiedlung afrikanischer Einwohner von Sophiatown in andere schwarze Townships. Der Plan der Regierung war insofern überaus zynisch, als die Evakuierung stattfinden sollte, noch bevor die Häuser gebaut waren, um die Evakuierten aufzunehmen. Die Evakuierung von Sophiatown wurde zur ersten größeren Kraftprobe für den ANC und seine Verbündeten nach der Mißachtungskampagne.
    Obwohl die Regierungsaktion zur Räumung von Sophiatown bereits 1950 eingesetzt hatte, unternahm der ANC erst 1953 ernsthafte Anstrengungen, die Evakuierung zu verhindern. Mitte des Jahres mobilisierten die Ortsgruppen des ANC und des TIC (Transvaal Indian Congress) sowie die lokale Ratepayers Association die Menschen zum Widerstand gegen die Räumung. Im Juni 1953 wurde von der Provinzexekutive des ANC und des TIC im Odin-Kino in Sophiatown eine öffentliche Versammlung veranstaltet, um über den Widerstand gegen die Räumung zu diskutieren. Es war eine lebhafte, erregte Versammlung von mehr als 1200 Menschen, die sich durch die Anwesenheit von Dutzenden schwerbewaffneter Polizisten nicht einschüchtern ließen.
    Nur wenige Tage zuvor war meine Bannverordnung abgelaufen, wie auch die von Walter. Das heißt, es war uns nicht länger verboten, an Versammlungen teilzunehmen oder auf ihnen zu sprechen, und also wurden Vorkehrungen getroffen, daß ich in dieser Versammlung sprechen konnte.
    Kurz bevor die Versammlung anfangen sollte, sah ein Police Officer, wie Walter und ich außerhalb des Kinos mit Father Huddleston sprachen, einem der Führer des Widerstands gegen die Räumung. Der Officer erklärte Walter und mir, als gebannte Personen hätten wir kein Recht, dort zu sein, und befahl seinen Leuten, uns festzunehmen. Father Huddleston rief den sich nähernden Polizisten zu: »Nein, ihr müßt statt dessen mich verhaften, meine Lieben.« Der Officer befahl Father Huddleston, beiseite zu treten, doch Father Huddleston weigerte sich. Als die Polizisten Huddleston beiseite schoben, sagte ich zum Officer: »Sie müssen sich vergewissern, ob wir unter Bann sind oder nicht. Seien Sie vorsichtig, denn es wäre eine unrechtmäßige Festnahme, wenn unser Bann abgelaufen ist. Glauben Sie tatsächlich, wir wären heute abend hier, wenn wir noch unter Bann stünden?«
    Die Polizei war dafür bekannt, selten auf dem laufenden zu sein, und oft wußte sie nicht, wann ein Bann beendet war. Dem Sergeant war das so geläufig wie uns. Er überlegte und befahl seinen Leuten dann, uns durchzulassen. Mit großem Widerstreben machte er uns Platz, als wir den Saal betraten.
    Die Polizisten im Saal benahmen sich sehr provokativ und arrogant. Mit Pistolen und Gewehren bewaffnet stolzierten sie im Saal herum, stießen Leute beiseite und machten beleidigende Bemerkungen. Gemeinsam mit anderen Führern saß ich auf der Bühne, doch als die Versammlung beginnen sollte, sah ich, wie Bürgermeister Prinsloo durch die Bühnentür hereinkam, begleitet von bewaffneten Polizisten. Ich sah ihn an und machte eine Geste, als wollte ich fragen: »Ich?«, doch er schüttelte verneinend den Kopf. Dann trat er zum Podium, wo Yusuf Cachalia bereits angefangen hatte zu sprechen, und befahl den ihn begleitenden Polizisten, ihn zu verhaften. Sie packten Yusuf bei den Armen und wollten ihn wegschleppen. Draußen hatte die Polizei inzwischen Robert Resha und Ahmed Kathrada festgenommen.
    Die Menschenmenge war in Aufruhr, sie schrie und

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