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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Mandela
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Exekutive war ich davon überzeugt, daß die Nationalisten die Gewaltlosigkeit schon bald zu einem noch begrenzteren und wirkungsloseren Mittel unserer Politik machen würden. Walter war mit meinen Gedanken vertraut, und vor seiner Abreise machte ich den Vorschlag, er solle nach Möglichkeit die Volksrepublik China besuchen und mit der chinesischen Führung darüber sprechen, ob sie uns nicht mit Waffen für einen bewaffneten Kampf versorgen könne. Walter fand die Idee gut und versprach, einen Versuch zu unternehmen.
    Diese Aktion ging ganz und gar auf mein eigenes Konto, und meine Methoden waren höchst unorthodox. In gewisser Weise waren es die Aktionen eines hitzköpfigen Revolutionärs, der die Dinge nicht durchdacht hatte und ohne Disziplin handelte. Es waren die Taten eines Mannes, der frustriert war von der Unmoral der Apartheid und der Rücksichtslosigkeit, mit welcher der Staat sie absicherte.
    Walters Reise rief in der Exekutive heftige Unruhe hervor. Ich unternahm es, persönlich seine Entschuldigungen vorzutragen, ohne meine geheime Aufforderung zu erwähnen. Luthuli war ungehalten darüber, daß der Verhaltenskodex des ANC so einfach in den Wind geschlagen worden sei, und Professor Matthews zeigte sich verärgert, weil Walter sozialistische Länder besuchte. Die Exekutive war skeptisch, was Walters Motive betraf, und sie bezweifelte meine Erklärung der Umstände. Einige wollten Walter und mich formal tadeln, taten es dann aber doch nicht.
    Es gelang Walter, nach China zu kommen, wo er von der Führung herzlich empfangen wurde. Man versicherte ihn der Unterstützung in unserem Kampf, als er jedoch von bewaffnetem Kampf sprach, war man sehr auf der Hut. Die Chinesen warnten ihn, ein bewaffneter Kampf sei ein äußerst schwieriges Unternehmen, und sie fragten Walter, ob die Befreiungsbewegung ausreichend organisiert sei, um ein derartiges Vorhaben zu rechtfertigen. Walter kam ermutigt, jedoch ohne Waffen zurück.
    In Johannesburg war ich ein Stadtmensch geworden. Ich trug elegante Anzüge; ich fuhr ein kolossales Oldsmobile, und ich kannte mich in der Stadt auch im Gewirr entlegener Gassen aus. Täglich fuhr ich zum Stadtbüro. In meinem Herzen blieb ich jedoch ein Junge vom Lande, und es gab nichts, was meine Stimmung nachdrücklicher heben konnte als ein blauer Himmel, das offene Feld und grünes Gras. Im September endeten meine Bannungen, und ich beschloß, meine Freiheit zu nutzen und gleichsam Ferien von der Stadt zu machen. Deshalb nahm ich einen Fall in dem kleinen Dorf Villiers im Oranje-Freistaat an.
    Die Fahrt zum Oranje-Freistaat von Johannesburg aus dauerte gewöhnlich mehrere Stunden, und ich brach um drei Uhr früh von Orlando auf; um diese Zeit reise ich am liebsten ab. Ich bin ohnehin Frühaufsteher, und um drei Uhr früh sind die Straßen leer und still, und man kann mit seinen Gedanken allein sein. Ich liebe es, das Heraufdämmern des Morgens zu beobachten, den Wechsel zwischen Nacht und Tag, der immer majestätisch anzusehen ist. Außerdem war es eine gute Stunde für den Aufbruch, weil um diese Zeit die Polizei für gewöhnlich nirgends zu sehen war.
    Die Provinz des Oranje-Freistaats hat auf mich stets eine magische Wirkung ausgeübt, obwohl dort einige der rassistischsten Elemente der weißen Bevölkerung zu Hause sind. Mit seiner flachen, staubigen Landschaft, so weit, wie das Auge reicht, mit dem großen blauen Himmel darüber, den endlosen Flächen mit gelben Mealie-Feldern, erfreut dieses Land mein Herz, in welcher Stimmung ich mich auch immer befinden mag. Wenn ich dort bin, habe ich das Gefühl, daß mich nichts einengen kann, daß meine Gedanken weit umherschweifen können bis zu den Horizonten.
    Die Landschaft trug den Prägestempel von General Charles R. De Wet. De Wet war jener begabte Buren-Befehlshaber, der während der letzten Monate des britisch-burischen Krieges den Briten in Dutzenden von Gefechten das Nachsehen gegeben hatte; furchtlos, stolz und schlau, wäre er einer meiner Helden gewesen, wenn er für die Rechte aller Südafrikaner und nicht nur der Buren gekämpft hätte. Er zeigte den Mut und den Einfallsreichtum des »Underdog«, des Benachteiligten, und die Kraft einer geringer ausgestatteten, jedoch patriotischen Armee gegen eine erprobte Kriegsmaschinerie. Während der Fahrt stellte ich mir vor, wo überall sich General De Wets Armee verborgen gehalten hatte, und fragte mich, ob sich eines Tages dort afrikanische Rebellen verstecken würden.
    Die Fahrt nach

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