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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Tisch und zupfte in seinem Schoß herum, als sie schon wieder ganz in den Anblick ihres Kaffees versunken schien.
    »Das halten wir nicht lange durch«, sagte sie.
    »Dafür vergessen wir’s auch nicht so schnell.«
    Sie sah auf und direkt in seine Augen. Ernst und als forsche sie noch danach, was er gemeint haben könnte, sagte sie dann leise und indem sie den Atem einzog, anstatt ihn auszustoßen : »Gar nicht.«
    Er streckte die Hand aus über die Tischplatte, hielt aber inne in der Bewegung, als sie, sich straffend, ihren Oberkörper zurücknahm. Er ließ die Hand in der Luft, und nach einem kurzen Zögern entschloß sie sich, mit ihrem Zeigefinger hineinzutippen. Eine flüchtige Berührung wie bei Kindern, die Spielgeld zählen oder ein Tier berühren, von dem sie fürchten, daß es beißt.
     
    *
     
    Am nächsten Abend, als er vorsichtig und unter Verrenkungen seine Hose anzog, schon ganz ohne Scheu und den Gedanken, daß sie beide sich außergewöhnlich benahmen, stand sie auf, nackt wie sie war, und sagte : »Ich geh nach nebenan. Bleib du hier, ja ?« Sie sah ihm nicht in die Augen.
    Einen Augenblick später hörte er atemlose, selbstvergessene Schreie durch die geschlossene Tür und riß die Jeans wieder auf.

40.
     
    Rudi telefoniert mit Anne. Sie verspricht, weitere dreißig Bilder bis Mitte Oktober fertigzustellen. Er wolle in Basel auf die Kunstmesse, sagt er, und dort mit verschiedenen Galerien in Kontakt treten. Da er den größten Teil der Bilder an ein Tagungszentrum verkauft habe, brauche er unbedingt neue Arbeiten, um sie richtig zu präsentieren. Auf seine eindringliche Bitte hin verspricht sie ihm sogar, im selben Stil und mit demselben Modell weiterzuarbeiten.
    »Sie hat Blut geleckt«, sagt Rudi.
    »Sie hat noch massenweise Skizzen.« Martin rührt in einer Minestrone. »Wenn sie keinen Anfall von künstlerischer Freiheit kriegt, kann sie noch hundert gute Bilder liefern.«
    »Du klingst schon wie ein richtiger Koofmich.«
    »Skrupel ?«
    »Weiß nicht.« Rudis Stimme klingt klein, so als wehe ihn etwas Unbekanntes an und mache ihn ängstlich und scheu. »Respekt vor der Frau. Die ist was Besonderes.«
    Martin nickt.

13.
     
    Sechs Tage lang war das Zeichnen nun ein Vorspiel zu der Liebe, die sie sich selbst hinterher gaben, getrennt durch die geschlossene Tür, aber verbunden miteinander durch Annes immer lauter werdende Schreie.
    Die Tage waren für Martin zur Wartezeit geworden, so erregt, kurzatmig und aufgekratzt war er. Noch immer sprachen sie nicht darüber, aber sie wurden freier und gelassener, so daß Martin am Ende nicht einmal mehr auffiel, wenn er hin und wieder selber an sich faßte und mit kleinen Bewegungen half, die Haltung des Modells zu wahren.
    Anne saß mit jedem Tag ein wenig offener da und bewegte sich bald wie eine Tänzerin, gleichermaßen selbstvergessen und extrovertiert. Mit offenen Augen, die aufmerksam den anderen in seinen kleinsten Einzelheiten erfaßten, saßen und standen sie einander gegenüber in einer Trance, die erst verschwand, nachdem die Tür zwischen ihnen geschlossen war.
    »Wir müssen Pause machen«, sagte Anne am siebten Tag, als sie sah, daß Martin sich immer öfter selbst berühren mußte, und zog sich ohne Umstände wieder an. »Ich koch uns was, hilfst du mir ?«
    Später zeigte sie ihm die Skizzen, die sie bis dahin eifersüchtig vor ihm verborgen hatte, und wieder, nur jetzt viel skrupulöser als beim erstenmal, wies Martin auf einige, die ihm nicht gelungen schienen.
    Sie hatte wohl an die hundert Blätter, und er war fasziniert. »Ich wollte, ich könnte dich auch so zeichnen«, sagte er.
    Sie lächelte. »Das wäre zwar gerecht, aber wozu ?«
    »Um die Bilder einander gegenüber zu hängen.«
    Martin wollte weitersprechen, wollte sagen, die Bilder lieben sich, aber ein Instinkt hieß ihn, sich zu beherrschen.
    Er wollte nicht, daß durch eine Bemerkung wieder alles kaputtginge.
    »Ob ich die jemals ausstelle ?« fragte sie ins Leere.
     
    *
     
    Während der nächsten drei Wochen verbrachte Anne die meiste Zeit an der Universität und Martin, der Tagschichten fuhr, auf den Straßen. Sie erholten sich von der Nähe, die ihre Bewegungen und Gesten gehemmt hatte. Fast jeden Abend verbrachten sie miteinander, gingen ins Kino, in Konzerte, spazierten durch den Park und fanden ihr vorheriges Erstaunen über den Gleichklang ihrer Wünsche wieder.
    Während der Tage, an denen sie so atem- wie schamlos an den Skizzen gearbeitet hatten, waren

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