Der langsame Tanz
Stimme klang, als erwache sie aus einem Dämmer-zustand : »Ja.«
Er wußte, daß er jetzt nichts weiter sagen durfte, wollte er nicht alles wieder verjagen, was sie mit diesem Ja so unverhofft in den Raum zwischen ihnen entlassen hatte.
Eine Zeitlang schwieg sie und sagte dann : »Aber ziemlich seltsam.«
Noch beim Herabsteigen vom Podest hatte er geglaubt, er müsse sich augenblicklich einschließen, um dieses irrlichternde Ziehen von sich zu jagen, aber der Gedanke, vor Anne aufs Klo zu verschwinden, oder sie zu bitten, sie möge eine Weile ihr Schlafzimmer nicht betreten, war nicht nur absurd und peinlich, er verscheuchte auch die Spannung von der Haut. Hätte sie das ebenfalls gewollt ? Sich zurückziehen und erlösen ?
Daß sie einander nicht einfach in die Arme fielen, war schon selbstverständlich. Ihm ging nicht auf, wie eigentümlich sie sich verhielten.
In dieser Nacht fuhr er Taxi wie ferngesteuert.
39.
Die Stadt ist überflutet von Touristen. Sie verlieren in der Hitze alle Form, aber sie machen sich nichts draus und schlurfen fröhlich und erschöpft, ihre verbrannte Haut noch weiter röstend, durch die Straßen, mit gutmütigen Schafsgesichtern ihren Führern hinterher, oder paarweise und einzeln mit verzücktem, arrogantem oder mißtrauischem Blick.
Mittlerweile hat Rudi schon acht Bilder verkauft. Es scheint, als seien die Tricks, über die er so gründlich nachgedacht hatte, überhaupt nicht notwendig. Diese Bilder wecken Besitzwünsche bei Frauen und, wie sich in den letzten Tagen offenbart, auch bei Schwulen. Warum ? Martin versteht es nicht. Männliche Akte, nicht besonders originell, alle die Variation eines einzigen Themas, ein einzelner Mann, aus verschiedenen Perspektiven. Senden sie vielleicht Signale aus ? Enthalten sie etwas von der Spannung zwischen Anne und ihm ?
Sind sie stimulierend ? Er kann es nicht beurteilen. Er sieht immer nur den eigenen Körper.
»So was hab ich noch nicht erlebt«, sagt Rudi eines Abends, als er den Laden schließt. »Daß Bilder einfach so Furore machen, ohne Schicki-Micki. Ich kann’s nicht fassen.« Er hatte vorgehabt, zwei, drei Bilder im Herbst, wenn die Saison wieder anfinge, selbst zu ersteigern, um so auf sie aufmerksam zu machen. Er wollte Sammler, die er kannte, ansprechen und ihnen mit Hinweisen auf die Versteigerungserfolge diesen Maler als renditeträchtig empfehlen. Nichts davon ist nötig. Die Agnelli-Nichte zieht einen Schwarm hingerissener Kunstliebhaber hinter sich her, der alsbald in Rudis Laden stürmt und kauft.
Nicht einmal der Sommer, Ferragosto, da doch alle Römer an der See sein sollen, wie die Legende weiß, bringt einen Einbruch in das stetige Geschäft. Sie verdienen schon wieder Geld und fangen an, sich Gedanken um den Nachschub zu machen.
»Bist du das eigentlich auf den Bildern ?« fragte Rudi vor kurzem, als Martin in der Unterhose über den Flur ging. Martin antwortete nicht, zuckte nur die Schultern und verzog sich ins Badezimmer. Dort hörte er Rudi noch rufen : »Du hast Erfolg bei den Frauen.«
Davon wüßte ich, dachte er und drehte die Brause auf.
12.
Am nächsten Tag drängte sie ihn zur Eile und ging schneller als üblich, immer einen halben Schritt vor ihm, durch den Park. Ihre Tür bekam sie erst nach drei Versuchen auf, weil sie fahrig und nur wie nebenbei mit dem Schlüssel hantierte. So als müsse sie eigentlich die Tür schon längst hinter sich haben. Das nervöse Schweigen tat Martin wohl. Er fühlte sich sicher in dieser skurrilen Intimität. Es war leicht, sich darin zu bewegen, keine Worte daran zu verschwenden, sie nicht zu befragen noch in irgendeiner Weise zu erwähnen.
Im Zimmer zog sich Anne schon aus, bevor er die Tür geschlossen hatte, und wartete, nackt und ungeduldig, bis endlich auch er alle Kleider vom Leib gestreift hatte.
Diesmal hätte er ihre Hand nicht gebraucht, aber sie berührte ihn sacht mit einem nachdenklich-abwesenden Ausdruck im Gesicht, den man für Andacht hätte halten können. Wenn es Andacht in Verbindung mit Nervosität gäbe.
Wieder arbeitete sie schnell und konzentriert, und er verschwand in seinem hellen Wachtraum. Und wieder waren da diese kleinen Bewegungen auf dem Weg durch ihren Körper, wieder dieses Zucken im Spiel ihrer Muskeln. Und wieder brach sie ab, einige Zeit nachdem das Glitzern in ihrem Schoß erschienen war.
Diesmal fiel es ihm viel schwerer, aus dem hoch gespannten Zustand zurückzukehren, und er saß noch einige Zeit unbequem am
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