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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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drückt sogar die Klinke der Badezimmertür, aber sie ist nirgends mehr zu finden. Er verabschiedet sich und fährt mit Rudis Alfa nach Hause.
    Im Bett versucht er, seine Vorstellung wiederzuerwecken, Sharon noch einmal in Gedanken zu berühren, aber alle Bilder, die er ruft, bleiben merkwürdig starr.
    Nach einer Weile steht er auf und holt nach, was er zu trinken versäumt hat.

10.
     
    Ein Ring von aufgehängten Bildern hatte sich um das Atelier gelegt, und ein zweiter, an die Wände gelehnt, war kurz davor, sich zu schließen, da sagte sie eines Nachmittags, als Martin sich auszog : »Ich will was Neues anfangen.«
    Es waren die ersten wirklich sommerlichen Tage des Jahres, gerade noch rechtzeitig, knapp nach dem Herbst-anfang. Von draußen drang das Geräusch klappernder Schritte herein, und eine Frauenstimme sagte : »Geh du doch hin, wenn du sie so vermißt.«
    »Was«, fragte Martin, da sie so lange schwieg und offenbar auf diese Frage wartete.
    »Ich will eine Serie Aquarelle machen. In Begierde.«
    »In was ?«
    »Begierde. Du sollst erregt sein. Eine Erektion. Ich will dich zeichnen mit einer Erektion.«
    Er knöpfte seine eben geöffneten Jeans wieder zu und setzte sich auf den Rand des Sockels. Eine Zeitlang sah sie ihn schweigend an, und er versuchte, so offensiv es ging, zurückzustarren.
    »Ist dir das peinlich ?« fragte sie dann.
    »Ja.«
    »Aber wieso denn ? Das muß dir doch nicht peinlich sein. Du bist der Körper meiner Ideen. Ich bin doch keine Fremde für dich.«
    Da sagte sie’s. Der Körper ihrer Ideen. Sarkastischer hätte er es auch nicht hinbekommen. Und nicht abgeschmackter. Der Körper ihrer Ideen. Das war der Titel, den sie seiner Nebenrolle gab.
    Zu seiner Unsicherheit kam auch noch Wut.
    Sie setzte sich neben ihn, legte ihren Arm um seinen Rücken und die Stirn auf seine Schulter : »Komm, trau dich doch. Bitte. Vertrau mir doch. Ich hab so was noch nie versucht. Du kannst die Bilder zerreißen, wenn du willst.«
    »Aber das geht doch nicht.« Wenigstens fand er die Sprache wieder. »Wie stellst du dir das vor ? Soll ich an mir rumfummeln vor dir ?«
    »Du kannst dir doch was vorstellen. Stell dir doch was Tolles vor.«
    »Wie kommst du nur auf so was ?«
    »Du hast mich drauf gebracht.«
    »Ich ?«
    »Im Aktsaal damals.«
    »Da warst du mit von der Partie. Du hast mich an-gefaßt.«
    »Ah, na gut«, sagte sie und kniete sich vor ihn, um seine Jeans aufzuknöpfen. Er stand auf, streifte Hose und Unterhose ab und stellte sich aufs Podest, um sie wie immer mit seiner Haltung experimentieren zu lassen.
    Seit langem hatte er wieder einmal das Gefühl, mehr als nur dies bißchen Haut zwischen ihm und ihren Augen wäre besser.
    Sie stieg herauf zu ihm, drehte an seinen Handgelenken, gab ihm kleine Stüber in die Kniekehlen und senkte seinen Kopf. Sie betrachtete ihn prüfend, ging im Kreis um ihn herum, beugte sich vor und faßte ihn an mit ihrer kleinen kühlen Hand. Es funktionierte. Aber schon als sie an der Staffelei saß, fühlte er sich wieder erschlaffen. Sie sah es, stand auf, kam wieder her, und diesmal bewegte sie ihre Hand ein wenig. Aber kaum hatte sie den Stift ans Papier gelegt, war schon wieder alles beim alten.
    »Es ist passiert, weil es nicht sollte«, sagte er, »und jetzt passiert es nicht, weil es soll.«
    »Es muß«, sagte sie verbissen und versuchte es erneut, diesmal mit den Lippen und dann mit ihrer Zunge. Aber so groß die augenblickliche Erregung auch war, dem nüchternen und studierenden Blick hielt sie wieder nur für Sekunden stand. Martin spürte, daß er grinste, und war auf einmal nicht mehr verlegen.
    »Gut«, sagte sie schließlich, »ich zeichne erst mal alles andere, dann muß ich eben schnell sein.«
    Mit eiligen Strichen skizzierte sie seinen Körper, dann kam sie wieder her und umspielte ihn mit ihrer Zunge.
    Inzwischen wollte er nicht mehr, daß es gelang, und als sie zur Staffelei zurückeilte, zählte er in der Art eines Countdowns zehn, neun, acht, sieben, sechs und grinste wieder, als sie entmutigt ihren Stift weglegte.
    Seltsam, in dieser Weise Herr der Lage zu sein. Sonst war es doch genau umgekehrt. Man schämte sich, wenn’s nicht ging. Und jetzt war es wie Rechtbehalten.
    »Was mach ich nur falsch ?« stöhnte sie und wunderte sich, daß er lachte. So beschäftigt mit ihrem Vorhaben, daß ihr das Komische an der Situation nicht aufgefallen war.
    »Du meinst es nicht ernst«, sagte er.
    »Ich meine es sehr wohl ernst.«
    »Nicht dasselbe

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