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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Kaffee und stellte sie vor sie auf den Tisch. Sie drückte die Knie zusammen, zog die Füße unter ihren Stuhl und wappnete sich.
    »Geht es Ihnen gut, Joséphine?«
    »Ja, alles in Ordnung …«
    Sie war nicht sonderlich begabt darin, Männer auf Distanz zu halten. Sie hatte keine Übung darin. Sie zog es vor, ihn reden zu lassen.
    »Joséphine, ich war Ihnen gegenüber ungerecht …«
    Sie winkte ab.
    »Ich habe mich falsch verhalten.«
    Sie betrachtete ihn und dachte bei sich, dass viele Menschen sich denjenigen, die sie liebten, gegenüber falsch verhielten. Er war nicht der Einzige.
    »Ich möchte, dass wir das alles vergessen …«
    Er hob den Blick und schaute sie offen an.
    »Aber …«, stammelte sie.
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Aber es ist zu spät, es ist vorbei, es gibt inzwischen einen anderen, der …
    »Ich habe nicht viel Erfahrung in Liebesdingen. Ich bin ein wenig unbeholfen …« Und mit leiser Stimme fügte sie hinzu: »Aber das wissen Sie ja …«
    »Ich vermisse Sie, Joséphine. Ich hatte mich an Sie gewöhnt, an Ihre Gegenwart, an ihre behutsame Aufmerksamkeit, ihre Großzügigkeit …«
    »Oh«, entgegnete sie überrascht.
    Warum hatte er das nicht schon früher gesagt? Als es noch nicht zu spät war. Als sie sich so sehr danach gesehnt hatte, diese Worte zu hören. Verstört sah sie ihn an. Er las die Verzweiflung in ihrem Blick.
    »Sie empfinden nichts mehr für mich? Ist es das?«
    »Ich habe so lange auf ein Zeichen von Ihnen gewartet, dass … ich glaube, dass ich …«
    »Dass Sie des Wartens überdrüssig geworden sind?«
    »Ja, in gewisser Weise schon …«
    »Sagen Sie nicht, dass es zu spät ist!«, erklärte er heiter. »Ich bin zu allem bereit … damit Sie mir verzeihen!«
    Joséphine litt entsetzliche Qualen. Sie bemühte sich, einen letzten Rest Liebe zu erwischen, einen roten Faden, an dem sie ziehen konnte, um daraus einen dicken Pompon zu machen. Sie versenkte sich in Lucas Blick, tauchte mit weit geöffneten Augen hinein und suchte, suchte. Er konnte doch nicht einfach weg sein! Sie suchte das Ende des Fadens in seinen Augen, auf seinen Lippen, an seiner Schulter, ich habe mich so gerne an ihn gekuschelt, wenn wir nebeneinander schliefen, ich sah seinen Arm, der mich festhielt, ich war gerührt, ich schloss die Augen, um dieses Bild festzuhalten. Sie suchte, suchte, aber sie konnte das Fadenende nicht finden. Unverrichteter Dinge tauchte sie wieder auf.
    »Sie haben recht, Joséphine. Es ist kein Zufall, dass ich in meinem Alter immer noch allein bin. Ich war nie fähig, jemanden zu halten! Sie haben wenigstens Ihre Töchter …«
    Joséphines Gedanken kehrten zu Zoé zurück. Sie würde es genauso machen wie Luca. Sie würde sich vor ihr entblößen und ihr sagen: Rede mit mir, ich kann meine Liebe nicht so ausdrücken, wie ich sie empfinde, aber ich liebe dich so sehr, dass ich nicht mehr atmen kann, wenn du mir morgens keinen Abschiedskuss gibst, dass ich meinen eigenen Namen nicht mehr weiß, dass ich keinen Appetit mehr auf das erste Frühstücksbrot habe, keine Lust mehr auf meine Forschungen, keine Lust mehr auf irgendwas.
    »Aber Sie haben Ihren Bruder. Er braucht Sie …«
    Er sah sie an, als verstünde er sie nicht. Runzelte die Stirn. Grübelte, wen sie wohl meinen könnte. Dann fasste er sich wieder und lachte höhnisch.
    »Vittorio!«
    »Ja, Vittorio … Sie sind sein Bruder, und Sie sind der Einzige, an den er sich wenden kann!«
    »Vergessen Sie Vittorio!«
    »Luca, ich kann Vittorio nicht vergessen. Er stand von Anfang an zwischen uns.«
    »Vergessen Sie ihn, sage ich!«
    Seine Stimme klang herrisch und zornig. Überrascht von seinem veränderten Ton wich sie zurück.
    »Er ist Teil unserer Geschichte. Ich kann ihn nicht vergessen. Ich habe mit ihm gelebt, weil ich Sie …«
    »Weil Sie mich geliebt haben … Ist es das, Joséphine? Früher. Vor langer Zeit …«
    Verlegen senkte sie den Kopf. Es konnte keine Liebe gewesen sein, wenn es so schnell verflogen war.
    »Joséphine … bitte …«
    Sie wandte sich ab. Er würde sie doch jetzt nicht anflehen. Das war ihr peinlich.
    Sie schwiegen lange. Er spielte mit dem Zuckertütchen, zerquetschte es zwischen seinen langen Fingern, drückte es, rollte es zusammen, klopfte es flach.
    »Sie haben recht, Joséphine. Ich bin eine Eisenkugel. Ich ziehe alle mit mir in die Tiefe.«
    »Nein, Luca. So ist es nicht.«
    »Doch, genau so ist es.«
    Ihre Kaffees waren kalt. Joséphine verzog das

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