Der langsame Walzer der Schildkroeten
die Typen, aber ziemlich weit oben!«
Er hatte das Rasiermesser hingelegt und den Gürtel wieder in die Hand genommen.
Dann kam der erste Schlag. Mitten ins Gesicht. Sie hatte ihn nicht kommen sehen. Sie zuckte nicht zurück. Sie durfte ihm auf keinen Fall zeigen, dass sie Schmerzen oder Angst hatte. Den zweiten Schlag ließ sie kommen, duckte sich nicht und biss die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Es fühlte sich an wie eine Gewehrsalve in den ganzen Körper.
»Machen Sie nur weiter … ist mir doch egal, ich überlege es mir nicht anders. Sie verschwenden nur Ihre Zeit.«
Ein weiterer Schlag traf ihre Brüste. Dann wieder einer ins Gesicht. Er schlug mit aller Kraft auf sie ein. Sie sah, wie er einen Schritt zurücktrat, Schwung holte. Er wirkte sehr ernsthaft, konzentriert. Er war lächerlich.
»Ich habe meinem Freund Bescheid gesagt«, keuchte Hortense, den Mund voll Spucke, »wenn ich um Mitternacht nicht zurück bin, ruft er die Bullen. Ich habe ihm Ihren Namen gegeben, den von Agathe und den des Klubs. Sie werden Sie finden …«
Sie spürte die Schläge nicht mehr. Sie dachte nur noch an das Wort, das sie als nächstes aussprechen würde. Sie nahm das Reden zum Vorwand, sich ein wenig von ihm abzuwenden, um nicht mehr alles direkt von vorn abzubekommen.
»Sie kennen ihn«, spie sie zwischen zwei Schlägen aus. »Es ist der Große, Dunkelhaarige, der ständig bei mir rumhängt. Seine Mutter arbeitet beim Geheimdienst. Das können Sie nachprüfen. Sie gehört zur Geheimpolizei der Queen. Und die sind nicht zimperlich. Wenn die Sie in die Finger kriegen, haben Sie nichts zu lachen …«
Offenbar war sie zu ihm durchgedrungen, denn er schlug nicht mehr so fest zu. Sein Arm schien ganz leicht zu zögern. Sie versuchte, nicht zu schreien, denn wenn sie zu schreien begann, würde er glauben, er sei fast am Ziel, und alle Hemmungen verlieren. Es fühlte sich an, als hinge die Haut in Fetzen von ihrem Körper, als spritze das Blut und als würden ihre Zähne gleich ausfallen. Die Schläge hallten in ihrem Kiefer, auf ihren Wangen, in ihrem Hals. Tränen strömten aus ihren Augen, aber das sah er bestimmt nicht. Es war zu dunkel, außerdem verdeckte er das ganze Licht mit seinem Brutalooberkörper, seinen Brutaloarmen, seinem Brutalogekeuche.
Nach einer Weile spürte sie nur noch einen gewaltigen Strudel, und nur die Worte, die sie auszusprechen versuchte, indem sie so dicht wie möglich bei ihren Gedanken blieb, die sie so präzise, so entschlossen wie möglich formulierte, verhinderten, dass sie von ihm mitgerissen wurde und zu Boden fiel. Solange sie stand, konnte sie reden. Von Gleich zu Gleich. Auch wenn sie den Gnom um zwei Köpfe überragte. Dass er sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um sie zu verprügeln, machte ihn sicher noch wütender!
»Glauben Sie mir etwa nicht? Aber wenn ich mir meiner Sache nicht so sicher wäre, würde ich doch längst vor Ihnen auf den Knien liegen, oder?«
Sie sah, wie sich seine Wampe bei jedem Atemzug hob und senkte. Er hatte einen Fuß vorgeschoben, als wollte er das Gleichgewicht wiederfinden. Wieder zu Kräften kommen. Er ist nicht besonders fit, konnte sie gerade noch denken, ehe er sich wieder erholt hatte. Darüber musste sie lachen, und sie stellte sich vor, wie er mit einem Herzinfarkt zusammenbrach, weil er zu fest zugeschlagen hatte.
»Sie sind einfach nur jämmerlich, Sie alter Sack. Sie sollten ein bisschen Sport treiben, Sie sind echt mies in Form.«
Und sie spuckte ihm ins Gesicht.
Der Schlag zerriss ihr die Oberlippe. Sie verschluckte sich fast vor Überraschung, und Tränen quollen ihr aus den Augen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Das Leder sauste erneut auf sie herab. Er drehte durch.
»Er heißt Weston. Paul Weston. Das können Sie überprüfen. Und seine Mutter ist Harriet Weston, Leibwächterin der Queen. Ihr letzter Lover wurde nach Australien geschickt, sonst wäre er mit beschwerten Füßen irgendwo versenkt worden.«
Ihre Stimme schwamm in Blut und Tränen, aber sie ließ nicht locker.
»Und ihr Chef … Ihr Chef ist Zachary Gorjiack … Er hat eine Tochter, Nicole, sie ist behindert, und deshalb ist er ziemlich schlecht zu sprechen auf Typen wie Sie. Weil ein Typ wie Sie schuld daran ist, dass Nicole jetzt in diesem Zustand ist. Darum kann er Typen wie Sie nicht ausstehen. Die zerquetscht er einfach so mit dem Daumen. Und genießt das Geräusch. Anscheinend hört es sich an wie zermatschter Brei. Kennen Sie das
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